Flächen-Kühlen mit „atmenden Bauteilen“ made in Austria
© abaton/Anna Niederleitner
Maximilian Gruber und Benedikt Goehmann
Die Gesetze der Physik für statt gegen sich arbeiten zu lassen und das Feuchtigkeitsproblem beim Flächenkühlen lösen? Dies ist dem österreichischen Startup abaton mit der Entwicklung atmender Bauteile für ein optimales Raumklima gelungen. Die abaton-Gründer Benedikt Goehmann und Maximilian Gruber bringen im Juni 2021 ein neues System auf den Markt: Die patentierte Bauteilatmung reguliert mit einer speziellen Porenstruktur das beim Kühlen entstehende Tauwasser. Die von Wiener Ingenieuren entwickelten Bauteile überwinden damit das bisher existierende Leistungsproblem von Flächenkühlungen. So sorgen sie für Raumkomfort ohne Zugluft in Wohnungen, Büros und öffentlichen Gebäuden jeden Baujahres und in jeder klimatischen Lage. Auch die Klimabilanz spricht für diese Art der Flächenkühlung: Mit einem Einsparungspotenzial von rund 25 Prozent an Energie gegenüber luftgekühlten Systemen stellt sie eine Schlüsseltechnologie für klimafitte Gebäude dar.
Wien, 26. Juli 2021 – Aufgrund weltweit steigender Temperaturen hat Kühlen mittlerweile die gleiche Bedeutung wie Heizen. Die internationale Energieagentur (IEA) sagt voraus, dass bis 2050 die Gebäudekühlung nach der Industrie weltweit den größten Stromverbrauch verursachen wird. Flächenkühlsysteme und aktivierte Bauteile werden dabei explizit als Teil der Lösung genannt – im Gegensatz zu luftgekühlten Systemen, die viel Energie verbrauchen, geräuschintensiv sind und oft gesundheitliche Nachteile mit sich bringen. In subtropischen Klimazonen aber auch in unserem gemäßigten Klima stieß eine energieeffiziente Kühlung von Flächen aufgrund der damit verbundenen Feuchtigkeitsentwicklung bisher oft an ihre physikalischen Grenzen – was den breiten Einsatz in Gebäuden bisher verhinderte, da es sonst, ohne zusätzliche aufwendige Aufbereitung der Raumluft von der Decke regnen würde.
Dieses Limit wird durch die abaton Bauteilatmung nun aufgehoben. Das abaton-System ist für alle Gebäudetypen und Klimazonen geeignet: von Büros über den Wohnbau, Gewerbebetriebe sowie für öffentliche Gebäude wie Schulen oder Museen. „Im Kern geht es bei abaton darum, zwei wesentliche Prinzipien zu vereinen: das Lebensgefühl von wohltemperierten Räumen mit der Effizienz und Zukunftssicherheit einer nachhaltigen Energielösung“, bringt es Gründer und abaton-Geschäftsführer Benedikt Göhmann auf den Punkt. Angesichts weltweit steigender Temperaturen und dem damit verbundenen Bedarf an nachhaltigen Kühlungssystemen stelle dies einen Paradigmenwechsel in der Klima- und Umwelttechnik dar: „Wir haben eine Schlüsseltechnologie für klimafitte Gebäude entwickelt.“
Innovation aus Österreich: Von der Feuchtmauer-Sanierung zur patentierten Energietechnik
Wie so oft bei wegweisenden Erfindungen, entsprang auch in diesem Fall die Idee aus dem Versuch heraus, ein Problem zu lösen, indem bestehende Lösungen auf neue Problematiken übertragen werden. Die langjährige Erfahrung mit der Sanierung von Feuchtmauern wurde auf das relativ neue Problem von Feuchtigkeitsbildung bei Flächenkühlung übertragen. Die Feuchtmauerproblematik aufgrund von Kondensation steht oft im Zentrum von Gebäude-Sanierungen und ist beispielsweise auch im Denkmalschutz ein großes Thema. Mit der davon abgeleiteten Bauteilatmung, die Kondensation in das Innere von Bauteilen verlagert, gelang ein Meilenstein bei der Bewältigung dieses Breitenphänomens im Anwendungsfall der Flächenkühlung.
Jochen Käferhaus und Wieland Moser widmen sich seit 30 Jahren der Erforschung und Umsetzung von nachhaltigen Energiesystemen und zählen zu den Pionieren der Bauteilaktivierung. Leo Obkircher ist seit ca. 20 Jahren auf ökologische Energielösungen und saisonale Wärmespeicher zur Nutzung von Abwärme spezialisiert. Alle drei widmen sich zudem seit Jahrzehnten der Feuchtmauersanierung. Die Grundidee der drei Herren wurde von Benedikt Göhmann und Maximilian Gruber aufgegriffen. Gemeinsam entwickelten sie die abaton Bauteilatmung – unterstützt von der Wirtschaftsagentur Wien und der FFG – in enger Zusammenarbeit mit der TU Wien, dem Karlsruhe Institute of Technology (KIT) sowie mit einem etablierten Netzwerk erfahrener Bauphysiker*innen und Architekt*innen.
Das erste konkrete Produkt, das innovative abaton Trockenbau-Paneel, wird momentan vom Unternehmen der oberösterreichischen Industriegruppe Kirchdorfer Industries produziert. Die aktivierten Platten sind mit allen gängigen Trockenbausystemen kompatibel, können in Decken oder Wänden eingebaut oder als hochwertige Kühlpaneele in Sichtbeton-Optik an die Inneneinrichtung angepasst werden. Zusätzlich ist es auch möglich, die Paneele direkt auf der Baustelle in die vorbereitete Schalung der zu betonierenden Rohdecke einzulegen. So wird das Kühlsystem kostengünstig und zeiteffizient direkt in den Rohbau integriert.
Kleinserien bis 500 Quadratmeter können ab sofort bestellt werden, die Lieferzeit beträgt 2 bis 3 Monate. Die erste serielle halbautomatische Fertigung ist ab Q2 2022 geplant. Mit den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des neuen Werkstoffes spricht abaton sowohl Wohnbauträger*innen, Planer*innen und Architek*innen an, aber auch Bauherr*innen im Einfamilienhausbereich.
Factbox
Bauteilatmung: Die Technologie hinter abaton
Die zentrale Einschränkung, welche bisher die Verwendung von zugluftfreien, energieeffizienten Flächenkühlungen in vielen Gebäuden verhindert, ist die Temperaturbeschränkung durch den Taupunkt. Wird dieser an der gekühlten Oberfläche unterschritten, bildet sich Tauwasser, das Bauschäden zur Folge hat. Die Leistung des Kühlsystems ist aber von der Oberflächen-Temperatur abhängig: je kälter, desto leistungsstärker. Konventionelle Kühlsysteme werden durch einen integrierten Taupunktregler abgeschaltet, wenn sich die Oberflächentemperatur dem Taupunkt nähert. Dadurch kommt es zu einer reduzierten Kühlleistung, wenn die Kühllast am höchsten ist. Alternativ sind energiehungrige Entfeuchtungslüftungen notwendig, welche den Effizienzgewinn zunichte machen. Die abaton Bauteilatmung basiert auf einer speziellen Porenstruktur, welche die Kondensationsebene in das Innere der Bauteile verschiebt. Durch die poröse Struktur wird die beim Kühlen unter dem Taupunkt anfallende Feuchtigkeit aufgenommen und im Inneren gepuffert. Die Oberflächenvergrößerung der Poren sorgt zudem für eine starke Verdunstung der Raumfeuchte außerhalb des Kühlbetriebs, wodurch auch die Oberfläche der Module trocken bleibt. Erstmals ist eine zugluftfreie Kühlung dadurch ohne Einschränkungen in allen Gebäuden und Klimazonen möglich.
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