08.02.2021    1 Bild 1 Dokument

Selbstdarstellung in Sozialen Netzwerken: Kontakthalten mittlerweile wichtiger als „Posen“

Aktuelle Jugendstudie von Saferinternet.at
© Melissa Askew/Unsplash

Soziale Medien sind für junge Menschen wichtiger als je zuvor und gleichsam zur „digitalen Nabelschnur“ geworden.

Zu dieser Meldung gibt es:

Kurztext 409 ZeichenPlaintext

Anlässlich des 18. internationalen Safer Internet Day präsentiert Saferinternet.at die Ergebnisse der Studie „Das Leben im Online-Stream: Soziale Netzwerke und Selbstdarstellung“. Sie zeigen, dass soziale Medien für junge Menschen gleichsam zur „digitalen Nabelschnur“ geworden sind. Es findet eine deutliche Verschiebung der Nutzungsweisen statt.

Pressetext Plaintext

Anlässlich des 18. internationalen Safer Internet Day am 09. Februar 2021 präsentiert Saferinternet.at die Ergebnisse der Studie „Das Leben im Online-Stream: Soziale Netzwerke und Selbstdarstellung“. Sie zeigen eindrucksvoll, dass soziale Medien für junge Menschen wichtiger als je zuvor und gleichsam zur „digitalen Nabelschnur“ geworden sind. Es findet eine deutliche Verschiebung der Nutzungsweisen – weg von der Eigeninszenierung, hin zum essenziellen Kommunikations-Tool – statt. Insgesamt scheint der Umgang mit Sozialen Netzwerken reifer geworden zu sein, doch Risiken, wie verwaiste Konten und unerwünschte Veröffentlichungen, bleiben bestehen.

Wien, 08. Februar 2021 – Vom Power-Porridge-Rezept am Morgen über ein Kurzvideo vom Fitness-Training bis zur Online-Party auf Discord: Für viele Jugendliche sind Soziale Netzwerke längst zentraler Bestandteil ihres Lebens. In Zeiten von Covid-19 hat der Stellenwert von TikTok, WhatsApp & Co. nochmals massiv zugelegt.

Im Rahmen der Initiative Saferinternet.at gaben deshalb das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und die ISPA - Internet Service Providers Austria eine Studie zum Leben von Jugendlichen in Sozialen Netzwerken und insbesondere zu den verschiedenen Formen der Selbstdarstellung in Auftrag, deren Ergebnisse heute präsentiert wurden.

Soziale Netzwerke: Digitale Nabelschnur in Pandemiezeiten

Praktisch alle im Rahmen der Studie befragten Jugendlichen nutzen Soziale Netzwerke. Sie treten mit durchschnittlich 11 Jahren ihrem ersten Sozialen Netzwerk bei. Im Mittel verwenden sie zwei bis drei Plattformen parallel. Die Netzwerke werden dabei bewusst für unterschiedliche Zwecke eingesetzt. Diese differenzierte Nutzung zeigt sich umso deutlicher, je älter die Jugendlichen sind.

Stand früher die Selbstdarstellung im Vordergrund, so ist nun das Kontakthalten mit anderen eindeutig die Hauptfunktion von Sozialen Netzwerken. Das zeigte sich schon vor Covid-19 und hat sich seither nochmals verstärkt. Denn in der Pandemie ist das Kontakthalten mit Familie, Freunden und Schulkollegen schwieriger geworden, gewinnt aber gleichzeitig massiv an Bedeutung. Soziale Netzwerke dienen als eine Art digitale Nabelschnur zur Außenwelt und verdienen ihren Namen mehr als je zuvor.

An zweiter Stelle nach dem Kontakthalten rangieren Information bzw. Unterhaltung. Erst dann folgen eigene Postings und Selbstdarstellung. Das virtuelle Teilhabenlassen anderer am eigenen Leben ist damit weniger wichtig geworden.

„Die gezielte Auswahl von Plattformen und ein bewussterer Umgang mit Online-Selbstdarstellung sind Anzeichen einer Entwicklung hin zu einer reiferen Nutzung von Sozialen Netzwerken durch Jugendliche“, beobachtet Matthias Jax, Projektleiter von Saferinternet.at, in Workshops und Gesprächen mit jungen Menschen.

Jugend-Internet-Monitor 2021: Größte Zuwächse bei Discord und TikTok

Die veränderten Nutzungsweisen bringen auch Verschiebungen im Ranking der verbreitetsten Internetplattformen österreichischer Jugendlicher mit sich. Saferinternet.at hat die beliebtesten Sozialen Netzwerke der 11- bis 17-Jährigen zum 6. Mal im Rahmen des Jugend-Internet-Monitors erhoben.

Demnach ist WhatsApp mit 98 Prozent der klare Favorit bei Jugendlichen und kratzt bereits an der 100-Prozent-Marke. Es ist die wichtigste Plattform zum Kontakthalten mit Familie, Freunden und Schulkollegen, wird aber während der Pandemie auch für Lerngruppen bzw. zur gegenseitigen Unterstützung bei den Herausforderungen des Homeschoolings verwendet.

Auf dem zweiten Platz landet YouTube (93 Prozent) als Info- und Entertainment-Channel, auf dem dritten Rang liegt Instagram (84 Prozent), das ebenfalls zum Kontakthalten sowie zur Information verwendet wird. Alle drei Netzwerke konnten im Vergleich zum Vorjahr zulegen.

Die Top Fünf vervollständigen die Foto-Sharing-App Snapchat (75 Prozent) und die Video-App TikTok (57 Prozent), die während der Pandemie deutlich wichtiger geworden ist (+15 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr). Mit deutlichem Abstand, aber dennoch erstmals so weit vorne kann sich die Inspirations-Plattform Pinterest platzieren (39 Prozent). Das weltweit größte Soziale Netzwerk Facebook ist bei Österreichs Jugendlichen im Vergleich zum Vorjahr von Platz fünf auf Platz sieben (34 Prozent) zurückgefallen.

Ein besonders hoher Zuwachs um 16 Prozentpunkte auf 33 Prozent (Platz 8) ist bei Discord zu verzeichnen. In den letzten Monaten hat sich Discord von einer Gaming-Plattform hin zu einem vielfältig genutzten digitalen Aufenthaltsraum entwickelt. Der vollständige Jugend-Internet-Monitor findet sich unter www.jugendinternetmonitor.at.

Selbstdarstellung ist mehr als nur Selfies posten

Das erste Soziale Netzwerk scheint prägend für das weitere Online-Verhalten und insbesondere auch für die Art der Selbstdarstellung zu sein. Während, vereinfacht gesagt, in der „Generation Facebook“ (also den heute Erwachsenen) immer noch Spiegel-Selfies mit dem Handy vor dem Gesicht der Renner sind, sind bei den Instagram- und Snapchat-Debütanten Bildbearbeitung generell bzw. die Bearbeitung der Profilfotos wichtig.

Die Optimierung der eigenen Fotos ist beinahe selbstverständlich geworden: Zwei Drittel der Jugendlichen sind der Meinung, dass jedes gepostete Bild bearbeitet wurde, 57 Prozent finden Bildbearbeitung wichtig. 79 Prozent denken, dass Jugendliche sich online prinzipiell besser darstellen. Und dennoch macht auch hier die Dosis das Gift: Es sei „cringe“ (also peinlich), wenn man von anderen mitbekommt, dass sie sehr viel Zeit in die Bildbearbeitung investieren, so die Befragten.

Selbstdarstellung geht allerdings weit über Selfies hinaus: Profilbilder, Namen, persönliche Informationen, Gruppen, Likes und Kommentare, aber auch Playlists – die eigene Inszenierung besteht aus vielen Puzzleteilchen. Klassische Postings am laufenden Band sind hingegen gar nicht mehr so beliebt: Nur rund ein Drittel der Jugendlichen postet regelmäßig Bilder von sich selbst.

Jugendliche wollen online die Kontrolle behalten

Drei von zehn Jugendlichen (29 Prozent) beschäftigen sich regelmäßig mit den Privatsphäre-Einstellungen in Sozialen Netzwerken. Für 35 Prozent sind diese jedoch lediglich bei der erstmaligen Nutzung ein Thema und 14 Prozent haben sich überhaupt noch nie damit auseinandergesetzt. Auch wenn vielen Jugendlichen der Schutz ihrer Privatsphäre ein Anliegen ist und ihr Verhalten bereits mehr Problembewusstsein zeigt, gibt es hier noch Verbesserungspotenzial.

Im Kontext der Privatsphäre ist auch der Trend hin zu zeitlich begrenzten Inhalten („Stories“) zu betrachten. Denn damit ist – zumindest aus Sicht der Jugendlichen – das Risiko deutlich geringer, die Kontrolle über die eigenen Bilder zu verlieren. 38 Prozent haben schon einmal eine Aufnahme gepostet, die sie später als peinlich empfunden haben und 32 Prozent eine, von der sie nicht gewollt hätten, dass die Eltern sie sehen.

Probleme mit „verwaisten“ Konten

Die langjährige Nutzung von Sozialen Netzwerken führt auch dazu, dass Jugendliche im Lauf der Zeit viele Konten ansammeln, auf die sie zum Teil gar nicht mehr zugreifen können. So geben 41 Prozent der Befragten an, dass dies bei zumindest einem Konto der Fall ist. Der Hauptgrund dafür (67 Prozent) ist, dass das mit dem Profil verknüpfte E-Mail-Konto nicht mehr zugänglich ist. Auch die Zwei-Faktor-Authentifizierung wurde bereits für 26 Prozent zur Stolperfalle, weil das mit dem Konto verbundene Endgerät nicht mehr vorhanden war.

„Jugendliche wie Erwachsene sollten sich frühzeitig überlegen, wie sie mit ihrem ‚Digitalen Nachlass‘ umgehen wollen. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass die Auseinandersetzung mit den eigenen Spuren im Internet in Zukunft zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. Wir wollen das Bewusstsein für dieses Thema stärken, bieten dazu unsere Expertise an und setzen uns mit allen Beteiligten für praktische Lösungen ein“, betont ISPA-Generalsekretärin Charlotte Steenbergen.

Negative Erfahrungen bleiben Herausforderung

Auch wenn Jugendliche einen zunehmend „reiferen“ Umgang mit Sozialen Netzwerken pflegen und stärkeres Risiko-Bewusstsein entwickelt haben, sind sie vor negativen Erfahrungen im Internet nicht gefeit. 22 Prozent der Befragten geben an, dass Bilder von ihnen schon einmal gegen ihren Willen geteilt wurden, 17 Prozent waren bereits mit Gerüchten über ihre Person konfrontiert. Immerhin 16 Prozent berichten, dass die eigenen Eltern peinliche Dinge über sie verbreitet haben.

Darüber hinaus stimmen 76 Prozent der Jugendlichen der Aussage zu, dass Fake-Profile sehr verbreitet sind, 49 Prozent meinen, dass viele Jugendliche mit einem gehackten Online-Profil konfrontiert sind. 59 Prozent vertreten die Auffassung, dass Internet-Challenges oft gefährlich sind.

Jugendliche nicht allein lassen

Einen sicheren Umgang mit Sozialen Netzwerken lernen Jugendliche laut 32 Prozent der Befragten vor allem durch Aufklärung und Workshops (zum Beispiel in der Schule), gefolgt von Lernen aus eigenen Fehlern (31 Prozent) sowie den Eltern und Freunden (je 28 Prozent).

„Die wichtige Unterstützung in der Schule fehlt aufgrund der Pandemie derzeit weitgehend. Daher müssen wir gemeinsam sicherstellen, dass der Erwerb von Safer Internet-Kompetenzen in der Schule auch in der aktuellen Situation nicht zu kurz kommt“, sagt Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at.

Saferinternet.at unterstützt dabei österreichweit mit Workshops (die auch online angeboten werden unter www.saferinternet.at/online-workshops), Flyern, Quiz und Unterrichtsmaterialien. Ab sofort kann das mit Unterstützung des Bildungsministeriums aktualisierte Handbuch für Lehrende „Selbstdarstellung von Mädchen und Jungs im Internet“ kostenlos bestellt und heruntergeladen werden. Leitfäden zu technischem Kinderschutz sowie Privatsphäre-Einstellungen in Sozialen Netzwerken und der Videoratgeber für Eltern „Frag Barbara!“ runden das Angebot ab.

 

Alle Angebote und Download- sowie Bestellmöglichkeiten finden sich auf www.saferinternet.at.

Detaillierte Informationen zum Safer Internet Day 2021 in Österreich finden sich auf www.saferinternetday.at (international: www.saferinternetday.org).

 

Über die Studie

Die Studie zum Thema „Das Leben im Online-Stream: Soziale Netzwerke & Selbstdarstellung“ wurde vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag von Saferinternet.at und ISPA - Internet Service Providers Austria durchgeführt. Bei der repräsentativen Online-Umfrage wurden 400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren befragt. Ergänzt wurde die Studie durch drei Fokusgruppen mit Jugendlichen und Praxiserfahrungen aus den österreichweiten Saferinternet.at-Workshops.

 

Saferinternet.at

Über Saferinternet.at
Saferinternet.at unterstützt Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrende beim sicheren, kompetenten und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien. Auf unserer Website www.saferinternet.at finden Sie aktuelle Informationen und praktische Tipps zu Themen wie soziale Netzwerke, Cyber-Mobbing, Sexualität & Internet, Datenschutz, Urheberrechte, Internet-Betrug, Medienerziehung etc. Zusätzlich bietet Saferinternet.at maßgeschneiderte Workshops in Schulen oder bei Elternabenden sowie kostenlose Ratgeber und Broschüren und vieles mehr an. Saferinternet.at ist die österreichische Informationsstelle im Safer Internet Netzwerk der EU (Insafe) und wird vom ACR-Institut ÖIAT in Kooperation mit der ISPA umgesetzt. Die Finanzierung erfolgt durch das „Digital Europe/Safer Internet“-Programm der EU-Kommission (bis 31.1.2024), das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, das Bundesministerium für Finanzen sowie Sponsoren aus der Wirtschaft wie A1 und Meta. Detaillierte Informationen zu allen Aktivitäten von Saferinternet.at gibt es unter www.saferinternet.at. Für Fragen und Anregungen zu Saferinternet.at können sich Interessierte per E-Mail an office@saferinternet.at wenden.