12.05.2020    1 Bild

Gutmann Kompakt - Mai 2020

Die Eurozone beginnt mit dem Hochfahren der Wirtschaft
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Die Eurozone beginnt mit dem Hochfahren der Wirtschaft

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• Volkswirtschaft und Geldpolitik Europa, USA und Asien
• Wirtschaft und Geldpolitik
• Gewichtung der Anlageklassen

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Die wirtschaftlichen Folgen des Virus

Die Eurozone beginnt mit dem Hochfahren der Wirtschaft
Nachdem sich die Neuinfektionen in den meisten Staaten der Eurozone seit einiger Zeit stabil verhalten und sich auch die teils dramatische Lage in zahlreichen Krankenhäusern bessert, werden viele Maßnahmen wieder gelockert. Der Weg ist in den einzelnen Ländern verschieden, das Ziel jedoch überall das Gleiche: Der wirtschaftliche Schaden soll so gering wie möglich gehalten, und zugleich sollen die Glutnester einer neuerlichen Infektionswelle im Auge behalten werden.

Aus der Sicht der Wirtschaft sind diese Vorhaben dringend. Denn erste verfügbare Daten zur Wirtschaftsleistung zeigen einen massiven Einbruch. So ging die reale Wirtschaftsleistung in Belgien im ersten Quartal gegenüber dem ersten Quartal 2019 um 3,9 Prozent zurück. In anderen Ländern sieht es nach den bislang veröffentlichten Zahlen kaum besser aus. Die Rückgänge liegen in Österreich bei 2,5 Prozent, in Frankreich bei 5,8, in Spanien bei 5,2 und in Italien bei 4,7 Prozent.

Für das zweite Quartal 2020 sehen die Perspektiven nicht besser aus. Unternehmen und Konsumenten schätzen die Lage nach wie vor eher pessimistisch ein. Während aber im April noch weitgehend Stillstand zu verzeichnen war, beginnt im Mai eine allmähliche Öffnung in den meisten Bereichen. Die Verluste des April im restlichen Quartal aufzuholen dürfte kaum gelingen. Damit scheint ein weiteres negatives Quartal bevorzustehen. Tritt das so ein, wäre die offizielle Definition einer Rezession erfüllt.

Gegen diese Tatsache kann auch das überaus umfangreiche Stimulus-Paket seitens der Europäischen Union, der Regierungen und natürlich der Europäischen Zentralbank nicht viel ändern. Aber es verhindert Schlimmeres und schafft die Basis für einen erfolgreichen Neustart. Deutschland beispielsweise stellt zu diesem Zweck einen Finanzrahmen zur Verfügung, der etwa 30 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung beträgt. Mehrheitlich sieht dieser Rahmen Garantien vor, dennoch ist damit zu rechnen, dass die Neuverschuldung Deutschlands, nach mehreren Jahren mit Budgetüberschüssen, in diesem Jahr bei etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen wird.

Aber auch andere Staaten haben Pakete geschnürt, die von EU und EZB begleitet werden. Somit gibt es einen europaweiten Schulterschluss der Fiskal- und Geldpolitik, mit dem Ziel, die Risiken für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für die Klein- und Mittelbetriebe möglichst abzufedern.

Diese Bemühungen lassen beim Blick auf das Jahresende durchaus Optimismus zu, zumal in manchen Ländern bereits über Maßnahmen diskutiert wird, die das Tempo der Erholung erhöhen sollen. Dies sind vor allem Steuersenkungen sowie eine erhöhte Investitionstätigkeit des Staates.

China am Weg zur Normalität
Die Art und Weise wie China mit der Pandemie umgeht, gilt anderen Staaten oftmals als Blaupause. Das rigorose Vorgehen gegen die Ausbreitung und die daraus resultierende vergleichsweise rasche Eindämmung der Ausbreitung mit der anschließenden Lockerung gelten allerorts als Role Model. Zudem weisen die Zahlen aus der chinesischen Wirtschaft seit März wieder deutliche Zeichen der Besserung auf. Aktuell liegt der Auslastungsgrad der Wirtschaft bei etwa 85 bis 90 Prozent – mit steigender Tendenz. Allerdings sollte man diese Zahlen kritisch hinterfragen und auf ihre Details achten. Zunächst ist festzuhalten, dass auch in der Volksrepublik China das öffentliche Leben weiterhin starken Einschränkungen unterliegt. Die (mobilen) Temperatur-Messungen seien hier nur beispielhaft genannt. Mit diesen Restriktionen verändert sich auch der private Konsum. So finden Besuche in Restaurants, Einkaufszentren und Fitnesscentern weiterhin nur in deutlich reduzierter Form statt. Hier hat sich also bereits eine Veränderung des Konsumentenverhaltens abgebildet. Mit dieser Veränderung ist auch in anderen Ländern zu rechnen, womit in den kommenden Monaten ein Belastungsfaktor für die Wirtschaft hinzukommt. Das bedeutet, dass der Glaube an eine bald wiederhergestellte Wirtschaft, so wie sie sich vor der Coronakrise präsentiert hat, zu optimistisch sein könnte.

USA im Spannungsfeld von Gesundheit und Wirtschaft
Besonders hart sind die Folgen des Virus in den Vereinigten Staaten zu spüren. Das lässt sich am deutlichsten daran ablesen, wie viele Menschen seit Krisenausbruch ihren Job verloren haben. In den USA sind es etwas über 30 Millionen. Die Arbeitslosenrate liegt nun bei über 20 Prozent. Das sind Werte, die an die große Depression erinnern. Entsprechend großzügig werden daher die Hilfspakete geschnürt: Amerika wird über 2.000 Milliarden US-Dollar ausgeben, um die Auswirkungen der Krise abzufedern.

Der Fokus der Unterstützung liegt auch hier bei Geldern für die Arbeitslosenunterstützung und bei Maßnahmen für Unternehmen, um deren Liquidität bestmöglich zu gewährleisten. Auch die Notenbank steht bereit und hat nicht nur den Leitzins auf null gesenkt, sondern in nur wenigen Wochen ihre Bilanzsumme um über 2.000 Milliarden US-Dollar ausgeweitet. Das entspricht etwa zehn Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Diese Summe ist damit auch höher als die Liquiditätsstütze von 2008. Aber damit ist noch lange nicht Schluss: Die Notenbank hat angekündigt, ihre Anleihekäufe solange als nötig in unbegrenzter Höhe durchzuführen. Diese Käufe zielen nicht nur auf Staatsanleihen ab. Damit die Kreditversorgung der Haushalte und natürlich auch der Unternehmen nicht ins Stocken gerät, werden beispielsweise auch mit Krediten besicherte Wertpapiere aufgekauft. Darüber hinaus wird auch großen Städten und Bezirken geholfen. Um deren finanzielle Lage zu entspannen, stehen 500 Milliarden US-Dollar zur Verfügung.

Die Wirtschaftsleistung ist gemäß einer ersten Schätzung im ersten Quartal 2020 annualisiert um 4,8 Prozent eingebrochen. Zwar konnten öffentliche Ausgaben einen positiven Wachstumsbeitrag leisten, aber der Einbruch im privaten Konsum war deutlich höher und somit letztlich maßgeblich für diesen Rückgang verantwortlich. Das verdeutlicht, warum die Regierung und die Notenbank dort ansetzen möchten. Ihre Maßnahmen sind grundsätzlich geeignet, um den finanziellen Stress für die Haushalte zu verringern. Das wird dennoch nicht verhindern können, dass der wirtschaftliche Einbruch im zweiten Quartal noch deutlicher ausfallen wird. Die Situation hat sich in den USA relativ spät zugespitzt und entsprechend spät kamen auch die Abwehrmaßnahmen in Gang. Daher war über einen weiten Zeitraum des ersten Quartals alles noch normal. Jedoch wissen wir jetzt, dass im April weitgehender Stillstand herrschte, mit großen Einschränkungen für den privaten Konsum. Ein Drittel des Quartals wird also für einen stark negativen Beitrag zum Gesamtquartal verantwortlich sein. Einerseits ist es schwierig, das in kurzer Zeit wieder aufzuholen. Andererseits wird es womöglich weitere Einschränkungen in Teilbereichen geben, die somit als Belastungsfaktoren weiter bestehen bleiben.

So ernüchternd die Zahlen aus der Realwirtschaft in den kommenden Wochen auch sein mögen, für die Finanzmärkte ist der längerfristige Blick relevant. Hier kommen die umfangreichen Finanzmaßnahmen ins Spiel und sorgen für den Optimismus, der derzeit offenbar eingepreist wird. Dennoch sollte das Risiko von Verwerfungen weiterhin nicht aus den Augen verloren werden. Negative Überraschungen, beispielsweise infolge einer unerwarteten, großen Firmenpleite oder eines länger als geplanten „Lockdowns“ (mit den entsprechend negativen Konsequenzen), sind nach wie vor nicht vom Tisch.

Wirtschaft und Geldpolitik

Eine Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen
In Europa zeigt sich seit wenigen Wochen eine Stabilisierung beziehungsweise sogar eine Verringerung der Ausbreitung des Virus. Daher kommt es bereits zu langsamen Öffnungen des wirtschaftlichen Lebens. Das hilft die wirtschaftlichen Auswirkungen etwas geringer ausfallen zu lassen. Allerdings soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir noch ein Stück weit von einem Zustand entfernt sind, den wir bislang als Normalität bezeichnet haben.

Das sieht man auch gut am Beispiel China. Wenngleich am Weg der Normalisierung etwas weiter vorangeschritten, so zeigt sich dennoch, dass viele Bereiche nach wie vor an deutlicher Unterauslastung leiden. Die Öffnung geschieht auch in China in Schritten und somit bleiben Belastungsfaktoren für die Wirtschaft bestehen.

Das gilt auch für die Vereinigten Staaten. Dort wird bereits intensiv über das Wann und Wie der Öffnung diskutiert. Allerdings weisen die Neuinfektionen nach wie vor keinen stabil negativen Trend auf. Zumindest in New York hat sich die Situation ein wenig gebessert. Die massiv gestiegene Zahl an Arbeitslosen dürfte jedoch die Wirtschaft nicht nur im ersten Quartal beeinträchtigen, sondern auch im zweiten deutlich in den negativen Bereich gedrückt haben.

Gewichtung der Anlageklassen

Konservativ positioniert
Das Coronavirus erfasste am 20. Februar die Märkte in den USA und Europa. Es fegte einen Monat lang durch die Psyche der Anleger. Der vorläufige Höhepunkt der Angst wurde am 23. März erreicht. Zu diesem Zeitpunkt fanden Liquidationen von Positionen statt, die ohne Rücksicht auf Geschäftsmodell, Bilanzsituation oder Bewertung erfolgten.

Wir reduzierten unsere Aktiengewichtung in der ersten März-Hälfte und blieben konservativ positioniert. Die Liquidität wurde zu einem großen Teil in kurze, äußerst liquide Anleihen investiert. Es wurde also der sicherste Teil der Anleihenkomponente aufgestockt. Der Gedanke dahinter: Wir wollen möglichst hohe Flexibilität haben, wenn wir bei den Aktien wieder zugreifen.

Mit der starken Gegenbewegung der Aktienmärkte im April, scheinen die Kurse ein positives Szenario vorwegzunehmen. Die Schnelligkeit und das Ausmaß des Kursanstieges waren überraschend. Zum (krisen-)sicheren Hafen wurden vor allem die großen Technologiewerte der USA erkoren. Andere Sektoren standen hingegen stark unter Druck.

Getrieben wurde der Optimismus aufgrund der massiven Unterstützungsmaßnahmen der Staaten und Notenbanken. Muss man sich nun vor einer Neuauflage der Schuldenkrise im Euroraum fürchten? Tatsächlich sahen wir einen Anstieg der Risikoaufschläge für Staatsanleihen der Euroraum-Peripherie, der Renditeaufschlag 10-jähriger italienischer Staatstitel stieg im Vergleich zum deutschen Pendant von rund 0,5 Prozent auf mittlerweile knapp 2,5 Prozent. Anleger verlangen also wieder mehr Entschädigung für ein Italien-Risiko. Das war eine direkte Reaktion auf die Beschlüsse der Euro-Finanzminister bezüglich eines europäischen Hilfsprogramms gegen die Coronakrise. Die Marktteilnehmer wollen anscheinend noch weitere Maßnahmen – Streitpunkt Corona-Bonds. Für unsere Allokation, was Anleihen in soliden Unternehmen betrifft, eine gute Nachricht: Sie erholen sich weiter, auch wenn die Gegenbewegung etwas an Fahrt verloren hat.

Bei den Aktien wirken sich die Notenbankmaßnahmen vor allem auf großkapitalisierte Unternehmen aus. Kleinere Unternehmen leiden derzeit vor allem an einem rekordverdächtigen Bewertungsabschlag. Da wir fast ausschließlich im Segment großer Firmen investiert sind, war das für unsere Aktienallokation vorteilhaft.

Auf Sicht von zwölf Monaten werden – vor allem durch die enorm hohen Unterstützungspakete – höhere Aktienkurse wahrscheinlicher. Wir glauben jedoch, dass die Aktienkurse der Realität vorausgelaufen sind. Wir erwarten daher Enttäuschungen, die zu Kursrücksetzern führen werden. Die Panik im Markt, die sich in den Tiefstständen des Monats März manifestierten, dürfte vorbei sein. Trotzdem sind die wirtschaftlichen Aussichten negativ und der Zeitrahmen für eine Rückkehr zu den alten Umsatz- und Gewinnniveaus überaus ungewiss.


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