Gutmann Kompakt – Juni 2019 Monatlicher Überblick zu folgenden Themenbereichen: • Wirtschaft und Geldpolitik • Volkswirtschaft und Geldpolitik Europa, USA und Asien • Gewichtung der Anlageklassen Wirtschaft und Geldpolitik Bekannte Konflikte kochen neuerlich hoch Die konjunkturellen Rahmenbedingungen in der Eurozone zeigen aktuell eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Die Rezessionsgefahr scheint vorerst gebannt, allerdings will sich die ersehnte Erholung noch nicht einstellen. Hinzu kommt ein Ergebnis der EU-Wahl, das einen einvernehmlichen Verhandlungsverlauf zum Brexit schwieriger macht. Das Umfeld in den USA ist dynamischer, der Arbeitsmarkt weist nach wie vor Vollbeschäftigung auf und die Konsumlaune ist aufrecht. Die verfahrene Situation mit China ist aber aus zwei Gründen eine Gefahrenquelle. Einerseits durch den direkten Einfluss auf den globalen Handel und die Preise, andererseits auch indirekt über die Finanzmärkte, die auf die aktuellen Geschehnisse mit Kurskorrekturen reagieren. Ähnliches gilt natürlich auch für China. Zwar hat die Regierung schon gegengesteuert und wird das auch, falls notwendig, erneut tun. Dennoch droht hier eine Belastung, möglicherweise nicht in vollem Umfang für China selbst, aber jedenfalls für die Staaten in der Region. Denn diese sind zumeist überaus stark am globalen Handel beteiligt und reagieren entsprechend sensibel auf Risikosignale. Die bisherige Aktiengewichtung in unseren fundamentalen Mandaten, die seit Jahresbeginn deutliche Kurszuwächse ermöglicht hat, ist angesichts dieser Umstände nicht mehr angemessen. Daher haben wir den Aktienteil verringert und entsprechend den Rententeil aufgestockt. Zusätzlich haben wir dem erhöhten Risiko der asiatischen Staaten Rechnung getragen – durch eine Verringerung dieses Anteils. Insgesamt ist unsere Ausrichtung somit neutraler als bislang. Volkswirtschaft und Geldpolitik Fast vergessene Themen beschäftigen die Märkte wieder US-Präsident Donald Trump hat zuletzt wieder den Druck auf China erhöht und überlegt, sämtliche Importe aus der Volksrepublik mit (höheren) Zöllen zu belegen. In Summe würde es Güter im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar betreffen, ein Anteil von etwa 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung der USA. Zudem wird auch der Druck auf einzelne Unternehmen erhöht. China verhält sich diesbezüglich noch relativ ruhig, wird sich aber vermutlich nicht ewig in Geduld üben. Zum Brexit: Die kürzlich geschlagene Wahl des Europäischen Parlaments hat gezeigt, dass in Großbritannien nach wie vor ein signifikanter Wähleranteil für einen harten Brexit eintritt. Durch den Rücktritt von Premierministerin Theresa May erhöht sich ebenfalls die Unsicherheit im Hinblick auf die zukünftige Verhandlungsführung. Insgesamt scheint es, als ob die konsensorientierten Kräfte geschwächt wurden, was die Wahrscheinlichkeit für einen ungeregelten Austritt erhöht. Kurzfristige Belastungsfaktoren drücken auf die Konjunktur Die Reaktionen an den Finanzmärkten ließen auch nicht lange auf sich warten. Damit wird überschattet, dass aus fundamentaler Sicht vieles nach wie vor in Ordnung ist. So startete etwa die Eurozone überraschend stark in das Jahr und auch aktuelle Zahlen weisen auf einen guten Verlauf der Konjunktur hin. Auf mittlere Sicht ist es beruhigend, dass in vielen Regierungen das Bewusstsein besteht, mit fiskalischen Maßnahmen der Schwäche entgegenzuwirken. Das gilt mittlerweile auch für die deutsche Regierung, die ohnehin seit Jahren Überschüsse erzielt und nun gewillt ist, diese geringer ausfallen zu lassen. An eine Änderung der geldpolitischen Ausrichtung der Europäischen Zentralbank ist derzeit nicht zu denken, die großen Weichen sind nun also expansiv(er) ausgerichtet. So positiv das grundsätzlich ist, der Grund dafür liegt in der schwächeren Nachfrage, insbesondere von außerhalb des Euro-Raums. Das spürt der exportorientierte Industriesektor besonders. Obwohl es bereits leichte Zeichen der Entspannung gibt, eignet sich die Ungewissheit aus den beiden zuvor erwähnten Faktoren weiterhin, Konsumenten wie auch Investoren zur Zurückhaltung zu bewegen. Das resultiert dann in schwächeren Wachstumsraten. Wir gehen – auf Sicht weniger Monate – weiterhin von einem spürbaren negativen Einfluss der beiden erwähnten Faktoren aus, halten diese aber letztlich für temporär. Dadurch ergibt sich mittelfristig gesehen eine positivere Situation als wir derzeit in der Eurozone vorfinden.                        US-Konjunktur noch unbeeindruckt vom Handelskonflikt Die Rolle der Volksrepublik als Exporteur von Waren und Dienstleistungen in Richtung USA ist wichtig. Aber auch als Käufer von amerikanischen Gütern ist China mittlerweile dank hoher Wachstumsraten zur Nummer drei aufgestiegen. Es besteht daher ein Risiko, dass sich chinesische Konsumenten, möglicherweise beeinflusst durch die Politik, von US-Gütern abwenden. Das könnte einzelne Segmente beziehungsweise Unternehmen treffen – die gesamtwirtschaftlichen Implikationen wären aber überschaubar. Zumindest im ersten Schritt. Denn falls es dazu kommt, würde die Schere zwischen den USA und China weiter aufgehen. Der Ursprung des Konflikts würde sich dadurch aus Sicht der USA noch schlimmer darstellen und die Verhandlungen nicht positiv beeinflussen. Ungeachtet dessen zeigen sich die Fundamentaldaten als überraschend stabil. Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor dynamisch mit zahlreichen neu geschaffenen Stellen. Die Unternehmen signalisieren zudem, dass ein weiterer Stellenaufbau geplant ist. Die Konsumenten sind auch in guter (Kauf-)Laune und tragen das Wachstum. Auch hier sind die großen Weichen expansiv eingestellt, der US-Haushalt ist ja bereits seit Jahren defizitär und die bisher erfolgten Zinsanhebungen kann man noch nicht wirklich als bremsend für die Wirtschaft bezeichnen. Immerhin besteht wieder Spielraum für Zinssenkungen im Falle einer nachhaltigen Verschlechterung der Lage. Somit ist vieles in der US-Wirtschaft nach wie vor in Ordnung. Dennoch stellt die aktuelle Situation einen Unsicherheitsfaktor dar, dessen Auswirkungen nicht vollends abzuschätzen sind. Asiatische Staaten stehen vor Herausforderungen Neben dem Riesen China gibt es noch zahlreiche andere, weitaus kleinere Staaten, die zu den überproportional Betroffenen des Konflikts gehören könnten. Südkorea oder auch Taiwan sind entwickelte Volkswirtschaften mit ebensolchen Finanzmärkten. Sie zeichnen sich aber auch durch einen hohen Offenheitsgrad der Wirtschaft aus. Das bedeutet, dass sie ein, gemessen an der Wirtschaftsleistung, hohes Maß an grenzüberschreitendem Waren- und Dienstleistungsverkehr aufweisen. Daraus resultiert in diesem Umfeld ein erhöhtes Risiko, wenn es zu einer Beeinträchtigung des globalen Handels kommt. China mag im Zentrum des Konflikts stehen, aber die indirekten Effekte könnten für die kleineren Staaten in der Region ungleich deutlicher ausfallen. Anhaltender Rückenwind für den US-Dollar Die aufkeimende Unsicherheit konnte dem Dollar bislang nichts anhaben. Im Gegenteil: Er setzt seine Aufwärtsbewegung fort. Auch wenn das Aufwertungstempo geringer geworden ist. Rein finanzielle Aspekte, wie etwa das vergleichsweise attraktive Zinsniveau, sprechen weiterhin für diese Währung. Das gilt insbesondere im Vergleich zum Euro, zu dem das Tauschverhältnis zuletzt bei EUR/USD 1,12 lag. Wir befinden uns damit weiterhin nahe an unserer Erwartung für das zweite Quartal von EUR/USD 1,10. Und wir gehen davon aus, dass der Greenback auf kurze Sicht gut unterstützt bleibt. Gewichtung der Anlageklassen Besser als erwartet Nun ist es beinahe geschafft. Fast alle Unternehmen haben ihre Berichte zum ersten Quartal abgegeben. Das Bild zeigt eine Tendenz: die Unternehmensgewinne haben den pessimistischen Prognosen getrotzt. In den USA ist sich ein leichtes Plus ausgegangen und auch in Europa haben sich die Gewinne besser entwickelt als prophezeit. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Wachstum leicht negativ geblieben ist. Dabei hat vor allem die Autobranche mit stotternden Motoren zu kämpfen. Interessant ist, dass britische Unternehmen – trotz Brexit – robust geblieben sind. Sie erzielten ein Gewinnplus von über zehn Prozent und damit das zweitbeste Ergebnis – nach belgischen Konzernen. Die Gewinndynamik dürfte auch in Europa wieder anziehen: Im zweiten Quartal erwarten wir ein Gewinnwachstum bei 3,5 Prozent, im dritten Quartal bei zwei und im vierten Quartal bei sieben Prozent.                    In Europa hing in den vergangenen Monaten der Brexit wie ein Damoklesschwert über uns. Die Gründe dafür: das Hinwerfen des Amtes durch Theresa May sowie auch die Wahlergebnisse im Rahmen der EU-Wahl, die den nicht so konsensorientierten Flügeln Aufwind verschafft haben. Solide Euro-Anleihen Dennoch haben sich europäische Staatsanleihen recht solide entwickelt. Das liegt zu einem Großteil daran, dass etliche Risikofaktoren (Handelskonflikt, Konjunktur) die Schiffe der Anleger weiterhin zum Hafen mit Sicherheit lotsen. Profiteure einer solchen „Risk-off“-Stimmung sind vor allem deutsche Bundesanleihen. Deren Nachfrage bleibt andauernd hoch, was wiederum auf die Renditen langlaufender Papiere drückt. So lag die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihe Ende Mai weiterhin im negativen Terrain: nämlich bei minus 0,14 Prozent. Unser Ausblick Obwohl die groben Rahmenbedingungen für uns weiterhin intakt sind, ist eine Aktien-Übergewichtung derzeit nicht mehr angebracht. Nach der starken Erholung seit Jahresbeginn nahmen wir Gewinne mit und passten unsere Allokation an die erhöhten Risiken an. In unseren fundamental verwalteten Mandaten ist der Aktienteil im Vergleich zur langfristigen strategischen Ausrichtung nun neutral ausgerichtet. Zusätzlich reduzierten wir unser Exposure in japanische und asiatische Aktien zugunsten europäischer und US-Unternehmen. Japan und auch andere asiatische Staaten sind ausgesprochen offene Volkswirtschaften, ihre jeweilige Wirtschaftsleistung hängt also in hohem Maße vom globalen Handel ab. Dadurch sind die Aktienmärkte dieser Länder überproportional von den Konflikten betroffen. Auch wenn es derzeit nicht gerade nach Sommerhoch aussieht, schreiben wir ausgewählte Unternehmen keineswegs ab. Denn gerade in einem herausfordernden Umfeld können Erfahrung und Weitblick Unternehmen mit interessanten Geschäftsmodellen zusätzliche Chancen öffnen. In punkto Anleihen bleibt das operative Umfeld trotz positiver Signale in den letzten Monaten insbesondere für zyklische Unternehmen anspruchsvoll. Im Vorfeld der nächsten EZB-Sitzung im Juni, und den damit verbundenen Spekulationen über weitere Lockerungsmaßnahmen, blieben somit vor allem Europäische Staatsanleihen unterstützt.