Gutmann Investment Mail
Oktober 2017 Private Equity und die Zinslandschaft Das niedrige Zinsniveau führe geradezu zu einem Boom bei Private Equity, heißt es. Doch das niedrige Zinsniveau als Begründung für einen Run auf die Anlageklasse anzuführen, greift bei weitem zu kurz. Denn gerade in diesem Fall sind ganz andere Fragen im Vorfeld entscheidend. Erst wenn diese beantwortet sind, macht es Sinn, Auswirkungen von Markt- und Zinsänderungen auf die Anlageklasse zu untersuchen. Und was bedeutet es wirklich für Private Equity, wenn die Zinslandschaft steigt? Natürlich: Private Equity bietet im historischen Vergleich attraktive Renditen zu anderen gängigeren Anlageklassen und wird daher im Lichte des derzeitigen Zinsniveaus gerne als eine Möglichkeit gesehen, den nominalen Ertrag im Portfolio zu steigern. Diese Grundannahme allein ist nicht falsch und auch nachvollziehbar. Allerdings sind hier drei Anmerkungen wichtig. Erstens: Private Equity eignet sich für manche Investoren, für andere wiederum nicht. Die Frage der Eignung ist allerdings unabhängig vom Zinsumfeld. Vorrangig zu klären sind Themen wie Abrufmechanik oder die eigenen Liquiditätserfordernisse. Zweitens: Genau wie bei jeder anderen Anlageklasse haben Änderungen der Zinslandschaft auch Einfluss auf Private Equity. Zinsänderungen wirken nicht nur auf operativer Ebene bei den Zielunternehmen. Sie beeinflussen auch das Verhalten der Investoren, sowie jenes der Private Equity Manager. Diese Aspekte sind bei einer Betrachtung möglicher Auswirkungen einer sich ändernden Zinslandschaft miteinzubeziehen. Und drittens: Wer meint, dass die Private Equity-Branche derzeit einzig aufgrund des niedrigen Zinsniveaus relativ leicht Kapital einsammeln kann, sollte dieses Bild jedenfalls korrigieren. Zur Frage: Zinsumfeld und Einstieg in die Anlageklasse Viel wichtiger als die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für ein Investment in Private Equity sind folgende Überlegungen: Wie gut kann ich mit den Besonderheiten der Anlageklasse umgehen, muss ich gegebenenfalls während der Laufzeit auf das im Investment gebundene Kapital zugreifen, und: Sind meine Ziele mit dem zu erwartenden Geldfluss-Profil vereinbar? Nur wenn diese Fragen zufriedenstellend beantwortet sind, kann ich mich der Anlageklasse unter langfristigen strategischen Gesichtspunkten nähern. Um kurzfristige taktische Maßnahmen in einem Portfolio umzusetzen, ist Private Equity aufgrund der Besonderheiten der Abruf- und Ausschüttungsmechanik sowie wegen des mit der Anlageklasse einhergehenden Illiquiditätscharakters nicht geeignet. Was sind nun die Auswirkungen von Zinsänderungen auf die Anlageklasse? Änderungen der Zinsstruktur haben nicht denselben direkten Einfluss auf Private Equity wie beispielsweise auf festverzinsliche Wertpapiere. Dennoch gibt es eine dem Aktienmarkt vergleichbare Auswirkung über die Bewertungsseite, da Diskontierungsmodelle bei der Bewertung von Unternehmensanteilen eine wichtige Rolle spielen. Insofern sind die Schicksale von Aktienmarkt und Private Equity auch eng mit einander verwoben. Unterschiede ergeben sich wohl in Folge des Reifegrades, oder genauer gesagt dadurch, dass ein Private Equity Manager üblicherweise eine Kapitalstruktur und Refinanzierungen vorfindet, die etwas mehr Potenzial eröffnen, als bei einem börsennotierten Unternehmen. Sind die Auswirkungen von Zinsänderungen auf die operative Seite von Unternehmen schon herausfordernd genug, so ist die Reaktion des Marktes und insbesondere von großen Investoren (Pensionskassen/-fonds, Sovereign Wealth Funds etc.) auf sich ändernde Zinsen noch schwieriger einzuschätzen. Bei solchen Investoren mit durchwegs sehr langem Investmenthorizont sind auch deutlich zinssensitivere Anlageklassen wie Anleihen oder Immobilien sehr prominent vertreten. Wie sich ein Zinsanstieg auf wen mit welcher Geschwindigkeit auswirkt, muss individuell analysiert werden. Dass sich damit für große Investoren die relative Attraktivität von Private Equity notwendigerweise verschlechtert, darf zumindest hinterfragt werden. Im Gegenteil begeben sich große Kapitalpools derzeit vermehrt auf eigene Faust auf die Suche nach Opportunitäten. Auch hat sich das Verhalten der Private Equity Manager seit der Finanzkrise deutlich verändert. Im unmittelbaren Vorfeld der Finanzkrise waren die Bewertungen ähnlich hoch, allerdings spielt bei Transaktionen der Fremdmittelanteil nunmehr eine wesentlich geringere Rolle als noch vor zehn Jahren. Private Equity Manager forcieren – vor allem dank vermehrter Nachfrage von Investorenseite – verstärkt operative langfristige Strategien, und weniger solche, die auf das Refinanzierungsumfeld abstellen. Im Ergebnis dürfte dieser Trend dazu führen, dass Transaktionen etwas stabiler aufgestellt sind, sich allerdings die durchschnittliche Behaltedauer eines Unternehmensbestandteils auch erhöht, der Fonds also langsamer ausschüttet. Profitieren Private Equity Fonds derzeit wirklich überproportional vom Zinsumfeld? Dass Top-Manager in den letzten fünf Jahren in sehr kurzer Zeit Rekordvolumina einsammeln konnten, hat weniger mit dem Zinszyklus zu tun, sondern eher mit dem Umstand, dass wir mit 2017 aller Voraussicht bereits vor dem siebenten Jahr in Folge stehen, in dem Ausschüttungen an Investoren größer sein werden als die Abrufe derselben. Der Netto-Cash Flow ist also schon sehr lange – und zum Teil auch sehr deutlich – positiv. Das niedrige Zinsumfeld trägt zwar dann noch das Seine dazu bei, aber selbst bei etwas höheren Zinsen hätten Investoren im Angesicht der gegenwärtigen Ausschüttungsdynamik wenig Grund, der Anlageklasse den Rücken zu kehren. Viel eher werden sie die Erträgnisse aus einem Fonds für die Bedienung von Kapitalabrufen des Folgefonds verwenden. Zudem sorgen Ausschüttungen für ein Fallen des Netto-Inventarwertes von Private Equity Investments. Je höher die Ausschüttungen, umso schneller fällt der Netto-Inventarwert. Investoren, die ihre relative Allokation in Private Equity zumindest konstant halten wollen, wären damit gezwungen, laufend neue Kapitalzusagen abzugeben. An der Grundthematik niedriger Zinsen ändert sich allerdings nichts: Die erwarteten Erträge jeder Anlageklasse sind zu revidieren. Fazit: Private Equity verhält sich bei Änderungen der Zinslandschaft vergleichbar zu Aktien. Die Auswirkungen auf das operative Geschäftsmodell der Zielunternehmen alleine anzusehen, wird allerdings nicht genügen. Mindestens ebenso wichtig sind die Auswirkungen auf die großen Kapitalpools und deren Verhaltensänderungen. Zudem gibt es momentan eigene technische Themen, insbesondere die sehr starke Ausschüttungsdynamik sowie der Versuch, die relative Allokation trotz hoher Ausschüttungen konstant zu halten. Für den Manager bedeuten steigende Zinsen, dass operatives Wachstum als Wertschöpfungsmaßnahme an Bedeutung zulegt. Je besser dies gelingt, umso schneller wird auch investiertes Kapital wieder freigesetzt werden können. Dies bestätigt uns in unserem Ansatz, Manager auszusuchen, die in der Vergangenheit stets diese Wertschöpfungskraft bewiesen haben. Grundsätzlich sehen wir Private Equity in Relation zu anderen Anlageklassen einem etwaigen Zinsanstieg nicht übermäßig ausgesetzt. Es sei denn natürlich, der Anstieg kommt unerwartet stark und schnell. Aber welche Anlageklasse wäre dann nicht betroffen? Autor: Mag. Nikolaus Görg, CEFA, Bank Gutmann AG Mag. Nikolaus Görg, CEFA Tel.: +43-1-502 20-296, Mobil: +43-664-96 95 296 nikolaus.goerg@gutmann.at Head of Private Markets. Mag. Nikolaus Görg war als Aktienanalyst bei einer der größten Banken Österreichs tätig, bevor er zu Bank Gutmann wechselte. Er leitete in der Gutmann KAG das Osteuropa-Aktienteam, ist Mitglied des Chief Investment Office und Vorstand der Global Private Equity I-IV AGs und der G&H Kapitalpartner AG. Rückfragen Mag. Friedrich Strasser Mitglied des Vorstandes und Partner Bank Gutmann Aktiengesellschaft Tel.: +43-1-502 20-216, friedrich.strasser@gutmann.at http://www.gutmann.at Mag. Jörg Wollmann, The Skills Group Tel.: +43-664-8860 5860, wollmann@skills.at http://www.skills.at © Bank Gutmann Aktiengesellschaft, Schwarzenbergplatz 16, 1010 Wien, Österreich Tel.: +43-1-502 20-0, http://www.gutmann.at Oktober 2017