Smartphones und Tablets: Ältere Generation beim Einstieg oft alleine gelassen Smartphones und Tablets erleichtern den Zugang zum Internet – auch immer mehr Seniorinnen und Senioren entdecken die mobilen Geräte für sich. Altersbedingte Einschränkungen und fehlende Erfahrung mit digitalen Technologien erschweren allerdings oft eine kompetente Nutzung. Das Forschungsprojekt „mobi.senior.A“ zeigt auf, dass Ältere vor allem beim Einstieg in die mobile Internetwelt auf Hilfestellung angewiesen sind, die sie nur schwer bekommen. Hersteller von Geräten und Software sowie Mobilfunk- und Bildungsanbieter vernachlässigen derzeit die Bedürfnisse und Anforderungen der Generation 60plus. Entscheidend sind vor allem die erwartungskonforme, konsistente Gestaltung von Interfaces und Navigation, verständliche Icons, kompakte Schritt für Schritt-Anleitungen sowie eine einfache Sprache, die Fachbegriffe verständlich macht. Diese Verbesserungen kommen allen Anwenderinnen und Anwendern zugute – bei Seniorinnen und Senioren entscheiden sie sogar oft über Nutzung oder Nichtnutzung eines mobilen Geräts. Der Zugang zum Internet und eine kompetente Nutzung erleichtern nicht nur den Alltag, sondern bestimmen zunehmend über die Teilnahme am sozialen und gesellschaftlichen Leben. Die mobile Internetnutzung mit Smartphones oder Tablets wird dabei immer wichtiger. Auch Seniorinnen und Senioren nutzen immer öfter Mobilgeräte als „Tor zum Internet“, haben aber gegenüber jüngeren Generationen großen Aufholbedarf: Aktuell besitzt lediglich ein Drittel der über 60-Jährigen ein Smartphone, bei den Jüngeren sind es mehr als 80 Prozent. In der Altersgruppe 60plus stehen den etwa 670.000 Nutzer/-innen also rund 1,4 Millionen Nichtnutzer/-innen gegenüber. Hier knüpft das FEMtech-Forschungsprojekt „mobi.senior.A“ (www.mobiseniora.at) an, dessen Ziel es ist, konkrete Nutzungsprobleme von Seniorinnen und Senioren verstehen zu lernen und die Anforderungen an Smartphones und Tablets aufzuzeigen. Dazu wurden mit Seniorinnen und Senioren Usability-Tests, Einzel- und Paarinterviews sowie Gruppendiskussionen durchgeführt. Hinter dem Projekt stehen das ACR-Mitglied Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT), das Büro für nachhaltige Kompetenz (B-NK GmbH) sowie das Zentrum für Interaktion, Medien und soziale Diversität (ZIMD), gefördert von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) mit Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Inbetriebnahme als erste große Hürde Für viele ältere Menschen stellt die erstmalige Inbetriebnahme eines neuen Smartphones oder Tablets eine unüberwindbare Hürde dar. Das Kernproblem: Seniorinnen und Senioren fehlt häufig das Verständnis für grundlegende Konzepte und Funktionsweisen von digitalen Medien. „Wer neu in der mobilen Internet-Welt ist, kann nur schwer nachvollziehen, warum man bei der Inbetriebnahme Nutzerkonten bei Online-Diensten anlegen muss“, nennt Bente Knoll vom Büro für nachhaltige Kompetenz eines von zahlreichen Praxisbeispielen aus dem Projektbericht. „Auch ’App-Shops’ sind anfangs alles andere als selbsterklärend – viele wissen nicht, wie Apps heruntergeladen, installiert und wieder gelöscht werden können.“ „Generation Gebrauchsanleitung“ In vielen Fällen sind Seniorinnen und Senioren daher bei der Inbetriebnahme und Einrichtung auf die Hilfestellung Dritter angewiesen, die häufig nur schwer zu organisieren ist. Vor allem ältere Frauen versuchen, sich im Verwandten- und Bekanntenkreis oder in Mobilfunkshops Hilfe zu holen. Eine wichtige Stütze für ältere Menschen stellen auch Gebrauchsanleitungen dar. Gerade für den Einstieg werden kompakte und leicht verständliche Gebrauchsanleitungen gewünscht, die entweder gedruckt im Lieferumfang enthalten oder direkt am Gerät installiert sind. Die in der Praxis weitverbreiteten Übersichtsblätter bzw. Download-Links zu Onlineversionen etc. empfinden die Befragten als wenig hilfreich. Auch für im laufenden Betrieb auftauchende Probleme wünscht sich die „Generation Gebrauchsanleitung“ einfache Schritt für Schritt-Anleitungen. Erwartungshaltung vs. Realität Auch nach der Inbetriebnahme erweist sich vor allem eine wenig intuitive Gestaltung von Hard- und Software für unerfahrene Seniorinnen und Senioren als problematisch. „Viele Bedienungsabläufe und Funktionen in Betriebssystemen und Apps sind nicht so strukturiert und bezeichnet, wie es die Anwenderinnen und Anwender erwarten würden“, bringt Dorothea Erharter vom ZIMD das Problem auf den Punkt. „Verwirrend für ältere Menschen sind auch die zahlreichen Inkonsistenzen, etwa dann, wenn Icons in verschiedenen Apps mit unterschiedlichen Funktionen belegt sind.“ Zu den größten Nutzungsbarrieren zählen darüber hinaus der Umgang mit dem Touchscreen, die Texteingabe sowie eine als unlogisch empfundene Gestensteuerung. Wenig überraschend bereitet auch die Vielzahl an unverständlichen, teils englischsprachigen Fachbegriffen älteren Menschen Probleme. Mangelnde Erfahrung führt zu Resignation Die Studienergebnisse zeigen aber auch, dass Seniorinnen und Senioren prinzipiell mit ähnlichen Usability-Problemen zu kämpfen haben wie andere unerfahrene User/-innen. Bei Schwierigkeiten zeigen sich Ältere allerdings weniger problemlösungskompetent und scheitern insgesamt schneller als Jüngere. Dies führt oft dazu, dass ältere Menschen den Funktionsumfang der Geräte nicht ausnutzen können – bis hin zum völligen Nutzungsverzicht. In der Altersgruppe 60plus sind internetfähige Mobilgeräte derzeit bei den Männern stärker verbreitet. Kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es hingegen bei den Usability-Schwierigkeiten, sowohl was deren Häufigkeit als auch die Art der Probleme betrifft. Die Generation 60plus stellt für die Anbieterseite auch eine große wirtschaftliche Chance dar. Um diese nutzen zu können, müssen die Bedürfnisse und Anforderungen von Seniorinnen und Senioren, die oft mit altersbedingten Einschränkungen konfrontiert sind, besser berücksichtigt werden. „Solche Verbesserungen kommen letztlich allen Altersgruppen zugute. Bei älteren Menschen entscheiden sie aber oft über Nutzung oder Nichtnutzung“, sagt Bernhard Jungwirth vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation. Bei persönlichen Interessen und Bedürfnissen abholen Um älteren Menschen den Einstieg in die Welt der Mobilgeräte zu erleichtern, sind neben den Mobilfunk- auch die Bildungsanbieter gefordert. Seniorinnen und Senioren brauchen alltagsnahe, niederschwellige und individuelle Beratungs- und Schulungsangebote. Support, Kurse und Workshops sind dann erfolgreich, wenn sie sich direkt an den Lebenswelten älterer Menschen orientieren. Gerade technikskeptische Personen brauchen konkrete Beispiele, wie Smartphones und Tablets ihren Alltag erleichtern können. Als Erfolgsfaktor für Bildungsangebote hat sich auch herausgestellt, dass Trainer/-innen Alters- und Genderstereotype vermeiden und ihre eigene Haltung gegenüber dem Älterwerden hinterfragen. „Frauen sind keine hilflosen ‚technikfernen Wesen‘ und Männer nicht per se die ‚Technikexperten‘“, so Bernhard Jungwirth, „und nicht alle älteren Menschen sind inkompetent“. Verkauf und Support sind dazu aufgerufen, Vorkenntnisse nicht als selbstverständlich vorauszusetzen. Selbst geläufige Icons, Symbole und Begriffe sind für Seniorinnen und Senioren nicht immer selbsterklärend. Dennoch ist es wichtig, älteren Menschen nicht vorschnell jegliche Kompetenz abzusprechen. In solchen Situationen bewährt es sich, einfach nach dem vorhandenen Wissen und den konkreten Bedürfnissen zu fragen. Kombiniert mit viel Geduld und einer leicht verständlichen Sprache entsteht so eine Beratungssituation, von der letztlich beide Seiten profitieren. Kostenloser Download des vollständigen Forschungsberichts unter: www.mobiseniora.at Auf Basis der Forschungsergebnisse werden konkrete Empfehlungen für die didaktische Gestaltung von Bildungsangeboten, Vorschläge für die zielgruppengerechte Verkaufsberatung sowie Guidelines für die Entwicklung von mobilen Endgeräten und Apps entwickelt. Diese Praxisleitfäden sind ab 2016 unter www.mobiseniora.at verfügbar.   Über B-NK GmbH Das Büro für nachhaltige Kompetenz arbeitet, forscht und berät zu den ökologischen, ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Das Büro ist spezialisiert darauf, in den scheinbar „geschlechtsneutralen“ Bereichen wie Planung, Mobilitätsforschung, Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung – aber auch in Kommunikationsprozessen sowie in technologieorientierten Forschungs- und Entwicklungsprojekten generell – die Relevanz von Gender und Diversity aufzuzeigen und gemeinsam mit den handelnden Personen Strategien zu entwickeln, Genderperspektiven auch in diese Felder einzubringen. (www.b-nk.at, www.vielefacetten.at) Über das ZIMD Das ZIMD – Zentrum für Interaktion, Medien und soziale Diversität arbeitet und forscht seit 2005 an der Schnittstelle von Gender, Diversity und Usability. Zu den Arbeitsschwerpunkten des gemeinnützigen Instituts zählen Forschungsprojekte zu Gender & Technik, die genderdidaktische Technikvermittlung (Workshops) sowie die Friedens- und Konfliktarbeit (Workshops, Seminare, Prozessbegleitung). Als zentrale Expertise des ZIMD hat sich in den letzten Jahren das Einbringen der Gender- und Diversity-Perspektive in technologische Forschungsprojekte entwickelt (www.zimd.at).