Gutmann CIO-Update Juli Notenbanken als Masterminds der Konjunktur Volkswirtschaft und Geldpolitik Notenbanken als Masterminds der Konjunktur Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nach wie vor angespannt, nicht zuletzt durch die Folgen der hohen Inflation. Von deren Entwicklung hängt viel ab – nicht nur der wirtschaftliche Ausblick, auch die Reaktion der Notenbanken. Denn den Notenbanken zufolge können wir in diesem Jahr noch einige Zinsanhebungen erwarten. . In den Vereinigten Staaten sogar über den sogenannten neutralen Zinssatz hinaus, der die Grenze zwischen einem expansiven und einem restriktiven Leitzins definiert. Beim Versuch, der erhöhten Teuerung gegenzusteuern, bewegen sich die Notenbanken auf einem schmalen Grat. Es ist ein Balanceakt zwischen dem Kampf gegen eine drohende Stagflation der Wirtschaft und dem Risiko eines Abschwungs. Das gewünschte Zinsanhebungstempo kann nur so lange beibehalten werden, als wirtschaftliche Kennzahlen die Schritte rechtfertigen. Wie mehrfach in der Vergangenheit beobachtet, könnte folgende paradoxe Situation auftreten: Die Finanzmärkte nehmen enttäuschende Kennzahlen mit Erleichterung auf, in der Annahme, dass Teuerung und auch Zinsanhebungen geringer ausfallen. Eurozone vor einem schwierigen zweiten Halbjahr Die Wirtschaft und die Konsumenten in der Eurozone spüren den Inflationsdruck. Das größte Risiko geht dabei von den Energiepreisen aus. Ausschlaggebend ist der große politische Einfluss in diesem Bereich, denn Energieliefermengen werden zur Machtdemonstration missbraucht. Einige Länder der Eurozone, darunter auch Österreich, müssen sich auf ein Szenario eingeschränkt verfügbarer fossiler Brennstoffe einstellen. Das trübt den Optimismus für die Zukunft. Unternehmen reagieren darauf mit geringerer Investitionstätigkeit, Konsumenten üben sich in Zurückhaltung beim Konsum. Beide Auswirkungen belasten die Konjunktur. Eine positive Entwicklung zeichnet sich bei den Güterpreisen ab. Sie waren und sind für die Teuerung in der Eurozone maßgeblich verantwortlich. Nach dem starken Anstieg 2021 könnten die konjunkturelle Abkühlung und stabilere Lieferketten nun dazu führen, dass die Güterpreise im Jahresvergleich sinken. Die allgemeine Teuerungsrate würde dadurch ebenfalls nach unten gedrückt werden, inwieweit das absolute Preisniveau automatisch auch betroffen wäre ist allerdings fraglich. Zwei Euro für einen Liter Treibstoff sind auch viel, wenn die jährliche Veränderungsrate null beträgt. Unklar ist, wie die Europäische Zentralbank EZB auf ein derartiges Szenario reagieren würde. Drei Zinsanhebungen in diesem Jahr entsprechen unserer Erwartung. Das könnte für die EZB knapp werden. Stabiler geldpolitischer Kurs in Japan Die meisten „großen“ Notenbanken der Welt haben bereits den Richtungsschwenk zu höheren Zinsen vollzogen. Nicht die Bank of Japan – sie folgt unverändert ihrem Kurs, die Zinskurve am kurzen wie auch am langen Ende nahe der Nullmarke zu halten. Bei einer Inflationsrate über null wäre der Realzins negativ, woraus ein expansiver Effekt auf die Wirtschaft resultieren würde. Zugleich wird versucht, die Teuerung (frische Lebensmittel ausgenommen) auf konstant über zwei Prozent im Jahresvergleich zu bringen und das ist in den vergangenen zwei Monaten auch tatsächlich gelungen. Aber der Plan lautet ja, die Zwei-Prozent-Marke konstant zu überschreiten. Dieses Ziel ist aus Sicht der Notenbank noch nicht erreicht, ein Abweichen von der Strategie ist daher nicht geplant. Daran werden auch die Spekulanten nichts verändern, die offenbar auf ein Ende der bisherigen Geldpolitik gesetzt und japanische Staatsanleihen in großem Stil verkauft haben. Die Bank of Japan hat jedenfalls umgehend reagiert und ihre üblichen Zukäufe um mehr als das Doppelte ausgeweitet. Die im internationalen Vergleich ungewöhnliche Zinspolitik hat ihre Spuren in einem deutlich abgewerteten Yen hinterlassen, der gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn 15 Prozent eingebüßt hat. Eine eventuell inflationäre Wirkung wird nach all den Jahren mit (deutlich) zu niedriger Teuerung vielleicht sogar positiv eingeschätzt. Bremsspuren in der US-Wirtschaft? Angesichts der laufenden Driving Season von Bremsspuren zu sprechen klingt nach Ironie. Wenn man sich jedoch vor Augen führt, dass eine Gallone Benzin aktuell mehr als fünf US-Dollar kostet, so ist manchem Autofahrer vermutlich mehr nach Bremsen als nach Beschleunigen zumute. Die Teuerung betrifft jedoch nicht nur Autofahrer, sondern weite Teile der Wirtschaft bis hin zum eher lohngetriebenen Dienstleistungsbereich. Dieser verzeichnet aktuell eine jährliche Teuerung von knapp sechs Prozent, wie zuletzt Anfang der 90er Jahre. Der Dienstleistungsbereich wird kaum von externen Faktoren beeinflusst. Relevant sind die heimische Nachfrage beziehungsweise die heimische Konjunktur. Eine aktuelle Analyse der Federal Reserve Bank of San Francisco unterstreicht diese These: Der Autor kommt zu dem Schluss, dass „nur“ etwa die Hälfte der Teuerung aktuell von der Angebotsseite bestimmt wird. Ein Drittel ist von der (heimischen) Nachfrage abhängig, der Rest von Einflüssen, die nicht näher definierbar sind. Der US-Notenbank ist bewusst, dass sie globale Angebotseffekte wie Lieferengpässe oder Produktionsausfälle in China nicht beeinflussen kann. Aber die höheren Zinsen können die heimische Nachfrage bremsen. Ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ist bereits in einigen Sektoren des Arbeitsmarktes zu erkennen. Insgesamt gibt es etwa doppelt so viele offene Stellen wie Jobsuchende. Das Resultat sind teils stark steigende Löhne, die wiederum zu steigenden Preisen in den betroffenen Segmenten führen. Allen voran im Freizeit- und Gastronomiebereich, wo die Löhne seit Monaten im Jahresvergleich um zehn Prozent und darüber ansteigen. Absolut gesehen sind die Stundenlöhne in diesem Bereich zwar noch immer die niedrigsten, aber die gegenwärtige Lohndynamik lässt den Abstand zum Sektor mit den zweitniedrigsten Löhnen, dem Einzelhandel, schrumpfen. Jedenfalls zwei Bereiche, die viele junge Menschen anziehen. Das hat die Arbeitslosenrate der 16- bis 19-Jährigen auf den tiefsten Wert seit 50 Jahren gebracht. Es liegt sicher nicht im Interesse der Notenbank, die Wirtschaft abzuwürgen und diese jungen Karrieren frühzeitig zu beenden. Sie wird die Zeichen der Abkühlung erkennen und hoffentlich nicht den Erwartungen der Märkte nach überhöhten Zinsanhebungen entsprechen. Gewichtung der Anlageklassen Chancen in der Krise In den ersten sechs Monaten des Jahres wurde den Anlegerinnen und Anlegern ein bitterer Cocktail serviert: hohe Inflation, steigende Anleiherenditen, Krieg in der Ukraine, instabile Lieferketten und Konjunkturabschwächung in China waren einige der Zutaten. Entsprechend heftig war der Gegenwind für gemischte Depots. Der Renditeanstieg führte zum stärksten Preisrückgang bei Anleihen seit mindestens 30 Jahren – im Euroraum und auch global gesehen. Wir konnten uns dieser Entwicklung zwar nicht entziehen, doch unsere Positionierung startete konservativ in diese schwierige Phase. Zu Jahresbeginn betrug die Duration – eine Maßzahl der durchschnittlichen Restlaufzeit – 3,4 Jahre. Zusätzlich hielten wir einen signifikanten Anteil von inflationsgebundenen Anleihen. Dadurch reduzierten wir die Verluste in diesem Segment. Vorausschauend investieren lohnt sich Die defensive Positionierung gab uns Handlungsspielraum, auch nach Chancen bei Anleihen zu suchen: einerseits im Rahmen attraktiver Neuemissionen und andererseits durch die Laufzeitenverlängerung des Portfolios. Wir nützten das aktuell höhere Zinsniveau, um schneller und stärker von einer Erholung zu profitieren. Denn sobald sich der aktuelle Renditeanstieg einbremst, sind bereits Profite in Form einer höheren laufenden Verzinsung möglich. Konkret erhöhten wir die Laufzeit in der Anleihe-Eurostrategie seit Jahresbeginn zunächst auf 3,7 Jahre und im Juni auf 4 Jahre. In unserer Anleihe-Dollarstrategie erhöhten wir die Duration auf 4,5 Jahre. Konzentration auf qualitative Kernwerte Bei den Aktien stand nach einer ersten Risikoreduktion Ende Jänner Qualität im Zentrum all unserer weiteren Depot-Aktivitäten. Dabei immer im Fokus: einzelne Aktien, von denen wir überzeugt sind. So haben wir zum Beispiel die komplette Palette an Fremdfonds und die gesamte Allokation in China verkauft. Somit bestehen 90 Prozent der Aktienkomponente aus Einzeltiteln, die wir selbst identifiziert, analysiert und investiert haben. Wir sind nahe an den Geschäftsmodellen und kennen die Unternehmen im Detail. Die restlichen 10 Prozent entfallen auf japanische Einzeltitel. Hier investiert ein externes Team in eine Gutmann Fondshülle. Wir haben Zugriff auf jeden einzelnen Wert und stehen in engem Informationsaustausch bis auf die Titelebene. Optimismus als nachhaltige Anlagestrategie Viele der globalen, breiten Aktienindizes bewegen sich auf Bärenmarktniveau. Das Symbol des grimmigen Bären steht für Preisrückgänge von über 20 Prozent. Solche Rückschläge sind immer schmerzhaft – einzelne Aktien verlieren dabei weit mehr als die durchschnittlichen 20 Prozent. Wichtig ist: Wir sind an Geschäftsmodellen beteiligt, die wir verstehen und an deren Zukunft wir glauben. Diese Titel sind Teil der Gutmann Aktiendepots. Niemand kann vorhersagen, wann dieser Bärenmarkt sein Ende findet, doch die Wahr- scheinlichkeit von positiven Aktienrenditen über die nächsten 12 Monate ist drastisch gestiegen. Diese Einschätzung beruht auf vergangenen Bärenmärkten und ihrer Erholung. Es gibt natürlich keine absolute Sicherheit. Denken Sie an die Finanzkrise 2008 – eine unrühmliche Ausnahme. Damals mussten Investoren noch länger auf die positive Gegenbewegung warten. In Summe hat es sich immer ausgezahlt, optimistisch zu bleiben. Wenn Sie bereits investiert sind, richten wir Ihr Depot kontinuierlich auf die besten Chancen aus. Nur wer in Phasen schmerzhafter Rückschläge das Vertrauen verliert und Papierverluste realisiert, macht daraus einen permanenten Kapitalverlust. Wer jedoch investiert bleibt, wird auch dieses Tal hinter sich lassen und in der Zukunft neue Höchststände feiern. Sie wollen das Thema vertiefen oder haben Fragen? Die Expert*innen der Bank Gutmann sind gerne auch zu einem persönlichen Austausch oder für ein Hintergrundgespräch dazu für Sie da.