Preisdiskriminierung im Internet: ÖsterreicherInnen sind unwissend Forschungsprojekt „PRIMMING“ des ÖIAT zeigt Reaktionen und Info-Lücken auf Das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) hat im Rahmen des Forschungsprojekts „PRIMMING“ die Preisdiskriminierung im Online-Handel untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Österreichs EinkäuferInnen wenig darüber wissen, wann eine Preisänderung zulässig ist. Generell reagieren sie auf Anpassungen sehr kritisch. Online-Shopping ist im Trend: Drei Viertel (74 Prozent) der ÖsterreicherInnen kaufen regelmäßig – mindestens einmal im Monat – online ein. Jeder Fünfte (22,7 Prozent) shoppt sogar mindestens einmal pro Woche im Internet. Dabei bemerken aufmerksame EinkäuferInnen auch immer wieder kurzfristige Änderungen im Preis. Während es dafür durchaus berechtigte Gründe, wie die Anpassung des Preises an die Konkurrenz oder saisonale Gegebenheiten gibt, treten häufig auch unzulässige Preisdiskriminierungen im Online-Handel auf. Genau diesem Thema widmet sich das Forschungsprojekt „PRIMMING“, das unter Leitung des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) in Kooperation mit der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) untersucht, wann Konsumentinnen und Konsumenten Preisänderungen bemerken und ob sie wissen, in welchen Fällen diese rechtlich zulässig sind. Dazu Louise Beltzung, Projektleiterin des ÖIAT: „Kurzfristige Preisanpassungen sind im Online-Handel ein beliebtes Instrument – das haben nicht zuletzt die Coronakrise und der damit einhergehende Boom im Online-Handel im Frühjahr bestärkt. Obwohl Preisanpasssungen weder stationär noch online ein neues Phänomen sind, besteht bei den Konsumentinnen und Konsumenten noch viel Unsicherheit und Unwissen. Hinzu kommt, dass es kaum Nachweise gibt, wie Unternehmen Preise personalisieren und das Thema von Anekdoten und Gerüchten geprägt ist.“ Preisänderungen: Rechtslage kaum bekannt Die befragten Konsumentinnen und Konsumenten geben an, viele kurzfristige Preisänderungen zu bemerken – vor allem bei Dienstleistungen wie Flügen oder Hotels, aber auch in der Unterhaltungselektronik. Danach gefragt, welche Faktoren aus rechtlicher Sicht in die Preisgestaltung einfließen dürfen, geben die StudienteilnehmerInnen am häufigsten die Anpassung an die Konkurrenz (46,4 Prozent), die veränderte Nachfrage (40,9 Prozent) und die Jahreszeit (37,3 Prozent) an. Weitere 18,7 Prozent sind der Meinung, dass das bisherige Einkaufsverhalten des Kunden ein legitimer Faktor für die Preisgestaltung sei. Auch der Wohnort (12,3 Prozent) und der Wert des Gerätes, mit dem gesurft wird (11,1 Prozent), werden genannt. Es zeigt sich, dass bei vielen Online-ShopperInnen noch große Unsicherheiten und ein dringender Aufklärungs- und Informationsbedarf zur Rechtslage bestehen. Elisabeth Rieß, Juristin am ÖIAT: „Aus rechtlicher Sicht ist es nicht verpflichtend, dass Preise für alle gleich und über einen längeren Zeitraum stabil sind. Die Anpassung der Preise an die Konkurrenz oder das Wetter sind beispielsweise erlaubt.“ Bei der personalisierten Preisgestaltung gilt es aber, gesetzliche Vorgaben zu beachten: „Wichtig ist, dass die Unternehmen Datenschutzbestimmungen und Diskriminierungsverbote einhalten. Preise, die etwa aufgrund des Geschlechts, des Wohnorts in einem bestimmten EU-Mitgliedsland oder nach dem bisherigen Surf- und Kaufverhalten einer Person geändert werden, sind diskriminierend und rechtlich nicht zulässig“, ergänzt die Juristin. „Unternehmen müssen fair agieren und sollten das Risiko von Reputationsschäden nicht unterschätzen.“ Wichtig sei es, so die Expertin, für die Zukunft technische und rechtliche Rahmenbedingungen zu entwickeln, die es KonsumentInnen erlauben, besser zu erkennen, welche Faktoren tatsächlich in die Preisgestaltung einfließen. Nur so kann effektiv gegen unzulässige Preisanpassungen vorgegangen werden. Reaktion auf plötzliche Preisänderungen: Kritik und Ablehnung Ob legitim oder nicht – das Forschungsprojekt zeigt jedenfalls, dass kurzfristige Preisänderungen auf viel Kritik stoßen. Um die Reaktionen von Konsumentinnen und Konsumenten auf Preisänderungen zu ermitteln, wurden ihnen im Rahmen der Befragung Szenarien zur Beurteilung vorgelegt, wie zum Beispiel: Morgens kostet eine Funktionsjacke noch 59,90 Euro und am Abend sind es beim gleichen Online-Shop plötzlich 64,90 Euro. Man findet auf dem Android-Smartphone ein günstiges Flugticket nach Paris. Die Kollegin sieht sich auf ihrem iPhone den gleichen Flug an, müsste allerdings 80 Euro mehr zahlen. Man will einen Laptop kaufen und findet den Hinweis, dass der angegebene Preis auf Basis der Daten im eigenen Kundenkonto personalisiert wurde. Das Ergebnis ist eindeutig: Je nach Szenario erklären lediglich zwischen 6 und 9 Prozent der Befragten, dass solche Preisänderungen gerecht sind und nur zwischen 6 und 10 Prozent würden diese Preisänderungen akzeptieren. Statt den teureren Preis zu bezahlen, würden sie nach anderen Online-Shops suchen (je nach Situation zwischen 30 und 44 Prozent). Zwischen 23 und 28 Prozent würden auch in Zukunft bei der direkten Konkurrenz einkaufen, zwischen 7 und 12 Prozent würden sogar schlecht über den Anbieter schreiben. Auffällig ist, dass Männer auf Preisänderungen deutlich offensiver reagieren: Zur direkten Konkurrenz wechseln würden je nach Situation zwischen 31 und 33 Prozent der Männer, aber nur zwischen 16 und 22 Prozent der Frauen. Schlecht über den Anbieter zu schreiben können sich 9 bis 13 Prozent der Männer und 4 bis 7 Prozent der Frauen vorstellen. Vergleichen, vergleichen, vergleichen! „Liegt eine Kaufabsicht vor, empfehlen wir, den Preis für ein bestimmtes Produkt zu unterschiedlichen Tages- und Wochenzeiten einzusehen und in mehreren Online-Shops zu vergleichen“, so Beltzung. „Die eigene Beobachtung der Preise und Preisvergleichsplattform helfen dabei, den günstigsten Kaufpreis zu erhalten.“ Viele der Befragten nutzen diese Möglichkeiten bereits: Um die Angemessenheit eines Preises für ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung abzuschätzen, sehen sich mehr als die Hälfte (56,9 Prozent) Preise bei anderen Online-Shops an und 41,9 Prozent nutzen Preisvergleichsseiten oder ähnliche Tools. Projekt „PRIMMING“ widmet sich diskriminierenden Preisänderungen Das Forschungsprojekt „PRIMMING“ wird im Rahmen des Programms „FEMtech“ der FFG im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie umgesetzt und widmet sich diskriminierenden Preisänderungen. Seit Oktober 2019 läuft das vom ÖIAT geleitete Projekt in Kooperation mit dem Austrian Institute of Technology (AIT), der Ciuvo GmbH und der Wirtschaftsuniversität Wien. Anhand einer umfassenden Datensammlung und -analyse, basierend auf simulierten Personen sowie einer Real-User-Kontrollgruppe, wollen die ForscherInnen empirisch nachweisen, ob, in welchen Segmenten und auf welcher Grundlage eine Personalisierung von Preisen im Online-Handel stattfindet. Die in diesem Zusammenhang gemessenen Effekte werden dokumentiert und durch den Einsatz von Machine-Learning-Verfahren auf eindeutige, kleinstmögliche Merkmalsräume reduziert. Nach der ersten Phase werden nun im nächsten Schritt bestimmte Produktgruppen näher analysiert. Über die Studie Repräsentative Studie des ÖIAT zum Thema Preisänderungen im Internet unter 504 Österreicherinnen und Österreichern (zwischen 14 und 65 Jahren) mittels Online-Befragung, durchgeführt von MarketAgent im Juni 2019.