Gutmann Kompakt Oktober Optimismus trotz Risiken Pandemie-Maßnahmen begleiten den Herbst in Europa Ferienende und Schulbeginn brachten zuletzt einen spürbaren Anstieg an Neuinfektionen in Europa. Besonders betroffen sind derzeit Frankreich und Spanien, aber auch zahlreiche andere Staaten können keineswegs mit der Situation zufrieden sein. Weitere oder ergänzende Maßnahmen werden vielerorts überlegt. Trotz der teils unterschiedlichen Situationen ist man sich in einem Punkt weitestgehend einig: Einen Zustand wie im Frühjahr, mit den damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen, möchte man mit allen möglichen Mitteln vermeiden. Für einige Länder scheinen regionale Lockdowns ein essenzieller Teil dieser Lösung zu sein. Hilfreich sind auch die mittlerweile zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten, mit deren Hilfe man aufpoppende Krisenherde rasch ausfindig machen kann. Auch die kommenden Maßnahmen werden nicht spurlos an der Wirtschaft vorüberziehen. Trotzdem wird es die Eurozone im dritten Quartal wieder aus der Rezession herausschaffen, in die sie im ersten Halbjahr hineingeschlittert ist. Da die reale Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um knapp zwölf Prozent eingebrochen ist, liegt die Latte nicht besonders hoch, nun einen Zuwachs zu erreichen. Etwas spannender wird es für die letzten drei Monate des Jahres. Hier stimmt die Tatsache zuversichtlich, dass die Industrie wieder gut läuft. Dies gilt auch für Deutschland, wo der industrielle Sektor seit längerem mit Problemen kämpft. Eine hohe Auftragslage schafft eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Produktion (und damit die Beschäftigung) in den kommenden Monaten gesichert ist. Im Dienstleistungsbereich, der überproportional unter der Pandemie leidet, wächst hingegen die Skepsis. Zurückhaltende Konsumenten, eine sinkende Zahl privater Feste, Einschränkungen beim kulturellen Angebot und viele weitere Maßnahmen führen zu sinkenden Einnahmen. Für viele Dienstleister, die schon jetzt in einer schwierigen Situation stecken, könnten die kommenden Monate zum Kampf ums Überleben werden. Unter der Annahme, dass die Pandemie kein rasches Ende finden wird, könnte es knapp werden, dass sich im vierten Quartal überhaupt ein wirtschaftlicher Anstieg ausgeht. Es bestehen also weiterhin wirtschaftliche Risiken. Die gute Nachricht ist, dass sowohl die Europäische Union, die Mitgliedsstaaten wie auch die Europäische Zentralbank im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten weiterhin unterstützend eingreifen werden. Das sorgt für einen optimistischen Blick auf das kommende Jahr, der nur auf kurze Sicht von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie beeinträchtigt wird. Die chinesische Industrie ist derzeit der Wachstumstreiber Jede Regierung geht auf ihre eigene Art mit der Krise um. So hat die Volksrepublik China weniger den privaten Konsum forciert, sondern auf eine möglichst rasche Belebung der Industrie gesetzt. Dies erfolgte durch Infrastrukturprojekte im eigenen Land. Diese Strategie diente aber vor allem dazu, die Nachfrage aus dem Ausland bestmöglich bedienen zu können. Um weitere globale Marktanteile dazuzugewinnen, ist das durchaus eine hilfreiche Taktik. Während die internationale Nachfrage zur Hochsaison der Krise fast nur aus medizinischen Produkten bestand, ist sie nun breiter gestreut. Die stark steigende Profitabilität der Unternehmen im Bereich der Informationstechnologie zeigt jedoch, dass auch hier ein wichtiger Baustein des chinesischen Angebots liegt. Der globale Trend, die Digitalisierung der Wirtschaft zu beschleunigen, zeigt sich letztlich häufig in der Nachfrage nach Produkten aus China. Die Erholung Chinas schreitet bislang zügig voran und weist das von vielen zitierte V-Schema auf – rasch nach unten, schnell wieder nach oben. Die Tatsache, dass die heimische Konsumnachfrage noch Potenzial nach oben hat und zugleich die Nachfrage aus dem Ausland (auch aufgrund der dortigen Hilfspakete) anhält, berechtigt zu einem hoffnungsfrohen Blick in die nähere Zukunft. Wahlkampf und Pandemie halten die Vereinigten Staaten in Atem Man merkt deutlich, dass wir in die entscheidende Phase des US-Wahlkampfs eingetaucht sind. Der Ton wird rauer, die Debatten werden emotionaler und die Gräben immer tiefer. Grundsätzlich ist das nicht ungewöhnlich. Es ist aber insofern speziell, als die Vereinigten Staaten so stark geteilt sind, wie schon lange nicht. Aufgrund der zahlreichen negativen Implikationen scheint es derzeit zumindest so, dass ungewöhnlich viele US-Bürger an der Wahl teilnehmen wollen, um die Demokratie zu stärken. Die Pandemie hat leider nicht dazu beigetragen, die Spannungen im Land zu verringern. Das Gegenteil ist der Fall: Denn es waren primär die schlechter Verdienenden, die ihren Job verloren haben. Die Regierung hat zwar ein großzügiges Hilfspaket geschnürt, dennoch fühlen sich viele Menschen aufgrund ihres Jobverlustes als Opfer einer missgünstigen Gesellschaft. Doch jeder Zweite, der durch die Pandemie seinen Job verloren hat, hält diesen Verlust für temporär. Viele rechnen also damit, bald wieder dieselbe oder eine andere Beschäftigung zu finden. Für diese positive Stimmung gibt es durchaus gute Gründe. So gibt es derzeit „nur“ etwa zwei Suchende pro offener Stelle. Allerdings werden vor allem Mitarbeiter im sogenannten „professionellen Business-Bereich“ gesucht, also in einem Segment mit einer erhöhten Anforderung an die Ausbildung. Die zuletzt verlorenen Jobs sind hingegen vor allem dort zu finden, wo geringere Ausbildungsniveaus gefordert sind. Auch Angebot und Nachfrage passen nicht zueinander: Nach wie vor haben etwa 20 Prozent weniger Klein- und Mittelbetriebe geöffnet als vor der Krise. Und die Fortdauer, mit einer teilweisen Verschärfung der Krise macht es nicht besser für diese Unternehmen. Dramatische Arbeitslosenraten haben wir bislang, vor allem aufgrund der umfangreichen Hilfspakete, nicht gesehen. Dennoch kann die Situation am Arbeitsmarkt noch längere Zeit angespannt bleiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die aktuelle – oder künftige – Regierung nicht möglichst rasch auf ein neues Hilfspaket einigt. Aktuell liegen die Vorstellungen der beiden Parteien weit voneinander entfernt und es ist aus Sicht beider Seiten opportun, mit dem Versprechen eines Hilfspakets in die finale Wahlschlacht zu gehen und dieses hoffentlich danach rasch umzusetzen. Die daraus resultierende Zeitverzögerung kostet allerdings Geld und verschleppt die weitere Erholung der Wirtschaft. Aus diesem Grund sehen wir die verbleibenden Monate dieses Jahres mit gewisser Skepsis, auch wenn die Haushalte noch einen guten Finanzpolster haben. Denn ohne Einkünfte (beziehungsweise mit geringen Bezügen) schmilzt auch ein guter Finanzvorrat rasch dahin. Das soll jetzt keinesfalls beunruhigend klingen. Aber unsere Erwartungshaltung für die kurzfristige Entwicklung ist, dass auch im vierten Quartal noch nicht wieder jenes absolute Niveau der Wirtschaftsleistung erreicht werden wird wie im Vergleichsquartal des Vorjahres. Daher können Veränderungsraten im Jahresvergleich auf den ersten Blick enttäuschend wirken. Im Vergleich zum Vorquartal dürfte sich jedenfalls ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts ausgehen. Gewichtung der Anlageklassen   Die Aktienquote wird auf „neutral“ angehoben Im September gingen die Aktienkurse zurück. Ausgehend von den USA setzte eine Korrektur ein. Europa hat sich nie so stark von den Tiefständen erholt und hielt sich wahrscheinlich auch deshalb stabiler. Und Japan hatte sogar einen positiven Monat. Es waren vor allem die Zugpferde der Rallye, die sich einbremsten: Die großen Technologieunternehmen. Investoren blicken weiterhin vor allem auf die fünf größten Titel nach Marktkapitalisierung in den USA: Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet/Google, Facebook. Denn diese „Big Five“ halten den gesamten Aktienmarkt im Plus. Dass ihr Einfluss immer stärker wird, zeigt sich daran, dass die Top 5 im Index der 500 größten Unternehmen vor wenigen Jahren noch weniger als 12 Prozent ausmachten. Anfang September erreichten sie fast ein Viertel des Marktgewichts. Für passive Indexinvestoren bedeutet diese hohe Konzentration auf wenige Titel auch ein steigendes Risiko. In unserer Aktienstrategie wählen wir keine derart konzentrierten Positionen. Wenn die Märkte nur in eine Richtung gehen, mag das ein Nachteil sein. Aber langfristig halten wir eine ausgewogene Allokation für die bessere Lösung. Ein wichtiger Faktor für die Aktienmärkte bleiben die Notenbanken. Um wirtschaftliche Verwerfungen der Pandemie zu lindern, haben die wichtigsten Notenbanken der Welt beispiellose Erste-Hilfe-Maßnahmen in die Wege geleitet. Sie stellen massiv Liquidität bereit. Denn mit Liquidität lässt sich ein Übergreifen der Krise verhindern. Die dafür verwendeten Summen sind um ein Vielfaches höher als in der Vergangenheit. 5.500 Milliarden Dollar an Anleihen haben die wichtigsten Notenbanken bis jetzt gekauft. Knapp 3.000 Milliarden waren es in der Finanzkrise 2008/2009. Auf die Inflation haben die Maßnahmen bis jetzt wenig Auswirkung. In keinem Industriestaat liegt sie derzeit über dem Inflationsziel. Auch weiter in die Zukunft geblickt liegt die gehandelte erwartete Inflationsrate in den USA und Europa unterhalb der Notenbankziele. Es deutet alles darauf hin, dass die Zinsen noch sehr lange tief bleiben werden. Langfristig tiefe Zinsen sind ein wichtiger Faktor für die Bewertung der Aktienmärkte. Denn damit geht auch ein tieferer Diskontierungssatz einher und lässt die Barwerte von Aktien steigen. Es ist vor allem dieser Faktor, der uns dazu bewegte, die Aktiengewichtung in den Gutmann Vermögensverwaltungen auf „neutral“ anzuheben. Diese Entscheidung wurde Anfang Oktober getroffen und wird nun in den Mandaten umgesetzt.