Gutmann Kompakt - Juni 2020 Die Gegenwart ist weiterhin schwierig, doch der Blick nach vorne lässt hoffen In Europa kann man bereits das Leben nach der Krise planen Die Entbehrungen der Quarantäne-Wochen zeigen in Europa mittlerweile sichtbare Früchte. Die Neuinfektionszahlen sinken konstant und auch die Todesfälle gehen zurück, die Krankenhäuser kehren langsam wieder in den Normalbetrieb zurück. Regierungen sind nun damit beschäftigt, die (weitere) Öffnung zu planen und auch fiskalische Maßnahmen zu beschließen, um die wirtschaftliche Erholung rasch voranzutreiben. Das Tempo und die Art der Lockerungen sind naturgemäß für die besonders beliebten Urlaubsländer interessant; immerhin hängen viele Arbeitsplätze am Tourismus. Spitzenreiter in dieser Disziplin ist – innerhalb der Europäischen Union – Kroatien, denn etwa ein Viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung dieses Landes wird vom Tourismus erwirtschaftet. Aber natürlich wollen andere Länder wie Griechenland, Spanien und Italien und nicht zuletzt auch Österreich auf die Einnahmen aus dem Tourismus nicht verzichten. Je nach Land sind es doch zwischen zehn und 20 Prozent der Wirtschaftsleistung, die alleine aus diesem Segment stammen. Die Öffnung ist das eine, das Verhalten der Konsumenten das andere. Letzteres ist schwierig abzuschätzen. Verschiedene Umfragen zeigen jedoch, dass – wenig überraschend – weiterhin der Wunsch nach einem Sommerurlaub besteht. Allerdings haben sich die Parameter des Reisens verändert. Die Nachfrage nach Flugreisen könnte weiterhin eingeschränkt bleiben. Der Urlaub im Heimatland, oder diesem sehr nahe, könnte der Trend dieses Jahres werden. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es durchaus wünschenswert, wenn im dritten Quartal dieses Jahres noch großzügig konsumiert wird. Das zweite Quartal dürfte nämlich einen wirtschaftlichen Einbruch für die gesamte Eurozone mit sich bringen, der seinesgleichen sucht. Ein Rückgang von zehn Prozent (oder sogar mehr) im Quartalsvergleich klingt durchaus plausibel. Die gute Nachricht ist, dass die Zahlen im dritten Quartal deutlich freundlicher aussehen werden - nicht nur aus saisonalen Gründen, sondern auch aufgrund des Basiseffekts. Eine deutliche Steigerung im dritten Quartal sollte daher also nicht schwierig zu erzielen sein. Noch ist das Leben in China nicht mit jenem vor der Krise vergleichbar Die Volksrepublik China ist in ihrem Umgang mit dem Virus bereits einen Schritt weiter. Denn die (partielle) Öffnung für den Alltag hat bereits vor Wochen begonnen und die Neuinfektionen liegen auf einem stabil niedrigen Niveau. Allerdings gibt es nach wie vor Medienberichte von einzelnen, räumlich begrenzten Gegenden, in denen das Virus wieder zunimmt. Betroffen sind zumeist Personen, die aus dem Ausland einreisen und das Virus erneut einschleppen. Die absoluten Zahlen sind jedoch im zweistelligen Bereich und somit überschaubar. Es verdeutlicht allerdings, dass durch Grenzöffnungen mit neuerlichen Risiken zu rechnen ist, welche trotz aller hoffnungsvollen Blicke in eine Zukunft ohne Virus nicht übersehen werden dürfen. In jedem Fall ist diese Erfahrung der Volksrepublik eine, die auch für den Rest der Welt gilt. Auch in Bezug auf andere Gegebenheiten blickt man derzeit neugierig nach China, denn man erhofft sich, bedingt durch den zeitlichen Vorsprung Chinas, etwas für die eigene Zukunft ableiten zu können. Tatsächlich zeigt sich, dass die wirtschaftliche Aktivität in vielen Bereichen deutlich zunimmt. Rasch verfügbare Zahlen wie etwa zum Energieverbrauch verdeutlichen das. Allerdings ist das Konsumentenverhalten noch nicht mit jenem vor der Krise vergleichbar. KFZ-Verkäufe steigen beispielsweise wieder deutlich an, aber der klassische Einzelhandel verzeichnet noch nicht die Umsätze wie vor der Krise. Scheinbar scheuen auch die Menschen in China nach wie vor größere Menschenansammlungen, wenn es sich vermeiden lässt. Diese Erkenntnisse werden wohl auch jene Länder gewinnen, die erst am Beginn ihrer wirtschaftlichen Öffnung stehen. Aus der zeitlichen Verschiebung des wirtschaftlichen Stadiums ergibt sich auch eine weitere Implikation, die China derzeit zu spüren bekommt: Die Volksrepublik wäre zwar wieder in der Lage ihre Produktion massiv auszuweiten, sie ist jedoch mit sinkender Nachfrage bei den Exporten konfrontiert. Das heißt, dass aufgrund des April-Stillstands in den meisten entwickelten Volkswirtschaften der Welt weniger Nachfrage aus diesen Ländern nach chinesischen Produkten kommt. Diese Lücke fehlt aktuell in der chinesischen Bilanz. Dennoch betraf der massive Lockdown fast ausschließlich das erste Quartal und das zweite Quartal beinhaltet somit die Öffnung komplett. In einem Vergleich der genannten Zeitperioden dürfte sich wieder ein Zuwachs der realen Wirtschaftsleistung ausgehen. US-Amerikaner wollen ihre Freiheit zurück, werden aber noch durch die Pandemie gefesselt Auch in den Vereinigten Staaten sucht man den Weg zurück zur Normalität. Die einzelnen Bundesstaaten gehen diesen Weg auf unterschiedliche Weise. Das Ziel ist jedoch für alle dasselbe: Nämlich möglichst schnell wieder die Wirtschaft anzukurbeln, um somit die Menschen wieder in die Beschäftigung zu führen. Vor Ausbruch der Krise befanden sich die USA in Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenrate unter vier Prozent. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dieses hohe Niveau in absehbarer Zeit wieder erreicht wird. Zahlreiche Unternehmen könnten diese Situation zum Anlass nehmen, um ihre Beschäftigungsstruktur neu auszurichten. Genau dieser Punkt ist es auch, der uns Sorge bereitet. Etwa 40 Millionen Menschen haben infolge der Pandemie ihren Job verloren und es scheint der Glaube vorzuherrschen, dass diese Menschen sehr rasch wieder den Weg zurück an ihren oder einen anderen Arbeitsplatz finden werden. Aber die bisher bekannten Zahlen aus China oder auch Stimmungsindikatoren der US-Unternehmen lassen vermuten, dass die hohe Vor-Krisen-Auslastung nicht so schnell wieder erreicht werden wird. Zweifellos werden auch die Vereinigten Staaten im dritten Quartal den Weg aus der Rezession finden. Dieser Weg könnte aber ein schwieriger werden. Denn es ist nicht in Stein gemeißelt, dass die Konsumenten in gleicher Weise ihr Geld ausgeben (können) wie noch vor der Krise. Wirtschaft und Geldpolitik Langsam richtet sich der Blick auf die Verarbeitung der Krise In Europa und den Vereinigten Staaten beschreitet man bereits den Weg aus dem Stillstand. So wie es aussieht wird pünktlich zum Beginn der Sommerferien das Reisen wieder großteils ermöglicht. Auch die rasche Beendigung des wirtschaftlichen Stillstands erscheint angesichts des zu erwartenden massiven Einbruchs der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal wünschenswert. Wenngleich die Einschränkungen langsam verringert werden - die wirtschaftlichen Folgen des Stillstandes werden uns noch ein wenig begleiten. Das sieht man an der Volksrepublik China, wo man bereits ein Stück weiter auf dem Weg zur Normalität ist und dennoch die Konsumenten nach wie vor ein verändertes Verhalten an den Tag legen. So liegen beispielsweise die Einzelhandelsumsätze weiterhin deutlich unter jenen vor Ausbruch der Krise. Besonders im Falle der Vereinigten Staaten, wo die Wirtschaft in hohem Maße von den Ausgaben der Konsumenten abhängt, wird dies ein kritischer Faktor sein. Darüber hinaus behalten wir die weitere Entwicklung des Virus im Auge. Die Entwicklungen in Südamerika, Russland oder auch Teilen Asiens wirken besorgniserregend. Vereinzelt mussten Lockerungsmaßnahmen auch wieder revidiert werden, etwa in Südkorea. In weiten Teilen der Welt wird ein sorgsamer Weg aus der Krise gesucht, der sowohl gesundheitliche als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Trotz allen Bemühens gehen wir davon aus, dass die wirtschaftlichen Folgen der Stillstände noch Monate zu spüren sein werden und somit mit negativen Überraschungen gerechnet werden sollte. Gewichtung der Anlageklassen Titelselektion entscheidend Die Ereignisse rund um die Coronakrise zeigen einmal mehr die Herausforderungen von Prognosen. Diese sind immer mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet: Einerseits ist es die Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung und andererseits sind es die Unwägbarkeiten der Aktienmarktentwicklung. In unseren Aktienstrategien interessieren uns vor allem die einzelnen Geschäftsmodelle. Wie werden sie sich zukünftig entwickeln? Ereignisse wie die aktuelle Pandemie sind Prüfsteine für die Qualität unserer Strategien. Die Gutmann Aktienstrategie und die Gutmann Dividendenstrategie zeigten während der Virus-Attacke ihre Antikörper und bestanden die Feuerprobe mit Bravour. Auseinanderklaffen von Wirtschaft und Aktienmarkt Seit dem Tiefstand im März stiegen die Aktienmärkte stark an. Die Kursavancen waren vor allem von Titeln des Technologiesektors getragen. Der Anteil der US-Technologie an der Weltmarktkapitalisierung war noch nie so hoch. Und wahrscheinlich zu Recht. Doch wird die zukünftige Geschäftsentwicklung die ohnehin hohen Erwartungen noch übertreffen können? Wie wollen wir uns nun im Aktienmarkt positionieren? Antwort: weiterhin über die ausgewählten Unternehmen unserer beiden Aktienstrategien. Allerdings erachten wir aktuell das generelle Marktniveau als zu euphorisch. Der Aktienmarkt ist überraschend schnell nach oben geklettert und ist unserer Meinung nach der Realität vorausgelaufen. Wir sehen Belastungen aus den hohen Arbeitslosenzahlen und bewerten die darauffolgende Konsumzurückhaltung als Bedrohung. Das gilt auch für die großen Tech-Unternehmen, deren Kunden von der Krise hart getroffen sind. Deshalb erwarten wir attraktivere Momente, um dann die Aktienquote zu erhöhen. Szenarien für die Aktienerhöhung Wir haben mehrere Szenarien entwickelt, an denen wir uns orientieren. Diese reichen von einem scharfen Handelskrieg zwischen den USA und China, gepaart mit hoher Arbeitslosigkeit und sinkendem Konsumentenvertrauen bis zu einem raschen Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffes bzw. deutlichen Fortschritten bei der Behandlung von coronabedingter Erkrankung. Im positiven Szenario führen vor allem die Unterstützungsmaßnahmen der Staaten und die lockere Geldpolitik der Notenbanken zu einer raschen Erholung der Gewinnentwicklung der Unternehmen und zu steigenden Aktienkursen. Anleihen der EU In Europa beobachtete man mit Spannung die deutsch-französische Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron zur Errichtung eines „Wiederaufbaufonds“ in Höhe von 500 Milliarden Euro (die EU-Kommission erhöhte in Folge auf 750 Milliarden). Dieser wird an den EU-Haushalt angeschlossen. Das Geld für diesen Fonds soll durch Anleihen der EU-Kommission am Kapitalmarkt aufgebracht werden und jenen Ländern und Branchen zufließen, die besonders schwer von der Pandemie betroffen sind. Einige Staaten, unter anderem Österreich und die Niederlande, haben einen derartigen Plan abgelehnt – dem übrigens alle 27 EU-Mitglieder zustimmen müssen. Sie plädieren weiterhin für Hilfen auf der Basis von Krediten. In der Tendenz ging es mit den Risikoaufschlägen gegenüber Bundesanleihen eher wieder abwärts bzw. haben sie sich auf dem derzeitigen Niveau eingependelt. Die Unternehmensanleihen folgten der Entwicklung am Aktienmarkt. Das heißt, die Risikoaufschläge engten sich leicht ein – jedoch nicht mehr so stark wie im April. Eine Flut an Neuemissionen von Unternehmen im Investmentgrade-Segment erreichte mit attraktiven Aufschlägen den Markt. Wir beteiligten uns aktiv mit unseren Anleihemandaten.