Gutmann Kompakt – März 2020 – Corona erfasst die Finanzmärkte Monatlicher Überblick zu folgenden Themenbereichen: •    Wirtschaft und Geldpolitik •    Volkswirtschaft und Geldpolitik Europa, USA und Asien •    Gewichtung der Anlageklassen Wirtschaft und Geldpolitik Das Virus erfasst die Finanzmärkte Die globale Ausbreitung des Corona-Virus setzt sich fort und die Finanzmärkte preisen die erhöhte Unsicherheit mit deutlichen Kursverlusten an den Aktienmärkten ein. Erste Zahlen aus der Realwirtschaft zeigen ein durchaus ernüchterndes Bild. Die Kombination aus mangelnder Nachfrage und fehlendem Angebot wirkt sich auf weite Teile der Wirtschaft aus. Die Folgen reichen von stillstehenden Fabriken und somit nicht lieferbaren Halbfertig- oder Fertigprodukten, bis hin zu ausbleibendem Tourismus. Natürlich wird auch Europa nicht verschont bleiben, gerade industrielastige Volkswirtschaften wie Deutschland werden die Beeinträchtigung spüren. Nachdem wir uns ohnehin in einer Phase der Stagnation oder bestenfalls geringem Wachstum befanden, dürften die realwirtschaftlichen Folgen des Virus zu einer temporären Verringerung der Wirtschaftstätigkeit führen. Die Vereinigten Staaten sind noch weitgehend unbetroffen von Infektionen, dennoch ist nicht auszuschließen, dass sich das Virus auch dort ausbreitet. Die wirtschaftliche Dynamik ist noch etwas höher, hängt allerdings auch vorwiegend vom privaten Konsum ab. Daraus ergibt sich ebenfalls ein Risiko, falls sich Panik unter den Konsumenten ausbreiten sollte. China versucht indes bereits, langsam wieder zurück zur Normalität zu finden. Doch trotz der Bemühungen seitens Regierung und Notenbank werden die wirtschaftlichen Auswirkungen massiv spürbar werden. Die Frage ist nun, wie lange der Weg zurück zur Normalität dauert. Volkswirtschaft und Geldpolitik Europa, USA und Asien Die konjunkturellen Folgen des Virus werden allmählich sichtbar Dass der Ausbruch des Virus in der Volksrepublik China auch realwirtschaftliche Folgen in der Eurozone zeigen wird, war klar. Allerdings war die Überraschung groß, als in kurzer Zeit zahlreiche Infektionen in Italien gemeldet wurden. Damit sind die Risiken plötzlich in „greifbare“ Nähe gerückt. Entsprechend negativ fiel die Reaktion an den Finanzmärkten auf diese Entwicklung aus. Trotz der pandemischen Risiken für den Kontinent – die rein wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Epidemie waren schon zuvor als klar negativ für die Weltwirtschaft, und somit natürlich auch für die Eurozone, einzustufen. Warum das so ist, verdeutlicht die Situation Deutschlands. China ist mittlerweile der wichtigste Außenhandelspartner für die Bundesrepublik. Im Jahr 2019 wurden Waren und Dienstleistungen von erstmals mehr als 200 Milliarden Euro aus China importiert beziehungsweise nach China exportiert. Deutschland erzielt zudem ein Handelsbilanzdefizit mit China, es wird also mehr importiert als nach China exportiert. Das verdeutlicht die Stellung der Volksrepublik als wichtiger Produzent und somit auch Zulieferer für die deutsche Wirtschaft. Im Augenblick jedenfalls gibt es Probleme auf beiden Seiten: Einerseits ist die Nachfrage aus China schwach, weil Teile des Landes stillstehen, andererseits verursacht dieser Stillstand auch, dass weniger produziert wird und somit deutsche Produzenten notwendige Fertigungsteile nicht geliefert bekommen.                         Aber so geht es nicht nur der Bundesrepublik, sondern auch vielen anderen Ländern. Für die Eurozone bedeutet das, dass die Schwächen, die schon seit Monaten bestehen und bestenfalls geringes Wachstum zur Folge hatten, noch stärker zum Ausdruck kommen. Aus der Stagnation dürfte also in den ersten Monaten des Jahres eine rückläufige wirtschaftliche Entwicklung werden. Die Erholung, die zuvor für das erste Halbjahr erwartet wurde, muss nun nach hinten verschoben werden. Die Vereinigten Staaten haben im gegenwärtigen Umfeld strukturelle Vorteile Den wirtschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Situation kann sich niemand entziehen und doch gibt es kleine Unterschiede. Für die USA spricht nicht nur der geographische Vorteil, es geht vielmehr um die Struktur der Wirtschaft. Die Vereinigten Staaten sind eine auf Konsum ausgerichtete Wirtschaft. Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen: Es wird weniger produziert, aber mehr konsumiert. Endprodukte werden eher gekauft als Halbfertigprodukte, welche dann in den Staaten endgefertigt werden. Natürlich fehlen in dieser Situation möglicherweise jene Produkte, die konsumiert werden könnten insbesondere, wenn diese aus China kommen. Dann kann dieser Kauf eben nicht stattfinden und wird wahrscheinlich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Aufgrund dieses Effekts kommt es in ähnlichen Situationen auch häufig zu einer raschen Erholung. Fraglich ist nun, wie weitreichend die Konsequenzen für das jeweilige Land sind. Sind damit auch Arbeitsplätze verbunden? Wenn ja, sind die Auswirkungen weitreichender. Geht es „nur“ darum, dass man sein Mobiltelefon nicht sofort, sondern erst in drei Monaten kaufen kann, sind die Konsequenzen überschaubar. Aber überschaubar bedeutet natürlich nicht, dass es keinen negativen Einfluss geben wird. Auch die US-Wirtschaft wird die Folgen zu spüren bekommen, auch weil hier zuletzt Signale der Schwäche geortet wurden und die Konjunktur in hohem Maße von den Konsumenten gestützt wurde. Die finanzielle Lage der Haushalte ist glücklicherweise stabil, aber die Abhängigkeit vom Konsum könnte dann in eine Schieflage geraten, wenn das Virus an der Konsumentenlaune nagt. Noch nicht erwähnt wurde der Einfluss des Tourismus. Etwa drei Millionen chinesische Touristen strömen jedes Jahr in die Vereinigten Staaten. Sie liegen damit zwar „nur“ an fünfter Stelle, was die Besucherzahlen betrifft, geben aber im Durchschnitt mehr aus als die Reisenden aus anderen Ländern. Auch hier werden sich die Einnahmen virusbedingt verringern. Die Finanzmärkte haben jedenfalls die US-Notenbank als Retter in der Not auserkoren. Bis Jahresende werden zwei Zinssenkungen eingepreist. Würde dieses Szenario eintreten, läge der Leitzins in einer Bandbreite von 1,0 – 1,25 Prozent. Ein nicht unrealistisches Szenario, wenngleich die Argumentation wichtig ist: Eine Zinssenkung in den USA kann an der Situation in China wenig ändern. Aber wenn sie die geldpolitischen Ziele gefährdet, kann die Notenbank auch weitere Schritte rechtfertigen. Tatsächlich gibt es Anzeichen, die diese Erwartung stützen. So fällt beispielsweise die – durch die Märkte eingepreiste – mittelfristige Inflationserwartung seit Tagen merklich und liegt nun so tief wie zuletzt 2016. Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte die Notenbank argumentieren, dass Gefahr drohe, das Inflationsziel nicht zu erreichen. Ganz so weit sind wir allerdings noch nicht. Volksrepublik im Ausnahmezustand Die Provinz Hubei stellt das Epizentrum der Corona-Virus-Infektionen dar. Über 60.000 beträgt mittlerweile die Zahl der bekannten Fälle. Bei Hubei handelt es sich um die siebtgrößte Region in China mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Industrie. Zahlreiche Automobil-Produzenten sind hier vertreten. Aus dieser Tatsache ergibt sich auch ein überdurchschnittlich hoher Grad an internationaler Verflechtung: So werden Rohstoffe nachgefragt, Halbfertig- oder auch Fertigprodukte werden exportiert. Das Ausmaß der globalen Verwerfungen im Industriesegment wird also in hohem Maß davon abhängen, wann und in welchem Umfang die chinesischen Fabriken wieder zu produzieren beginnen können. Aktuell scheint es Bemühungen zu geben, die Maschinen wieder langsam anzuwerfen. Vermutlich wird man nicht sofort zur maximalen Auslastung zurückkommen, aber je rascher wieder produziert wird, desto geringer und kürzer fällt die Lücke aus, die andernorts entsteht. Aufgrund der Verzögerung bei der Erstellung der Daten gibt es bislang wenig Konkretes aus der Realwirtschaft – bloß einige Anhaltspunkte. So ist beispielsweise der Verkauf von Autos komplett eingebrochen und liegt nahe der Nullmarke. Japan verzeichnet bereits starke Rückgänge im Tourismus. Zahlen aus Südkorea verdeutlichen wiederum eine Reduktion im Handel mit China in den ersten 20 Tagen im Februar. Das bislang Bekannte ist also durchaus ernüchternd. Manches wird man erst mit einiger Verzögerung messen können, etwa die Beeinträchtigungen, die innerhalb der Wertschöpfungskette durch Lieferverzögerungen entstehen. Bei den Stimmungsindikatoren dürfte sich jedoch sehr bald ein Trend nach unten einstellen. Im globalen Tourismus ist ebenfalls mit Verlusten zu rechnen. Im Vorjahr haben sich etwa 200 Millionen Chinesen auf Reisen begeben. Zum Vergleich: Nur 100 Millionen Amerikaner haben im selben Zeitraum ihr Land verlassen. Überdies gelten die chinesischen Touristen als überdurchschnittlich kaufkräftig und kauffreudig. Sie nehmen oftmals auch lange Schlangen vor luxuriösen Geschäften in Kauf, wie sie in allen Tourismusmetropolen der Welt zu sehen sind. Dieser Devisenfluss ist nun unterbrochen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sich in China der Weg zur Normalisierung relativ bald einstellen wird. Allerdings heißt das nicht, dass dies auch für den Rest der Welt gilt. Einerseits gilt es nach wie vor die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen. Andererseits gibt es die Verzögerungen in der Produktionskette und die dadurch entstehenden Schwierigkeiten bestehen weiterhin. Es ist sicherlich in den kommenden Wochen mit ernüchternden Zahlen aus der Realwirtschaft zu rechnen. Diese blicken aber auf vergangene Zeiträume. Für uns ist es wichtig, wie lange der Weg zurück zur Normalität dauert. Es gilt also noch mehr als sonst, genau in die Details zu schauen und sich nicht von Überschriften verunsichern zu lassen. Gewichtung der Anlageklassen Starke Stimmungsschwankungen Der Monat Februar war ein Lehrmeister für die Unmöglichkeit, Märkte selbst kurzfristig vorherzusagen: In den ersten drei Wochen des Monats fokussierten die Marktteilnehmer ihre Freude auf die gute Gewinnsaison. Die Aktienmärkte stiegen in den USA, in Deutschland oder in der Schweiz deshalb auf neue Allzeit-Höchststände. Und selbst der chinesische Aktienmarkt konnte den Kursverfall des ersten Handelstages – nach der langen Börsenpause aufgrund des Neujahrsfests – wieder wettmachen. In den Folgetagen erreichte das Coronavirus (COVID-19) aber Italien und die Leitbörse fiel daraufhin in den USA um etwa zehn Prozent. Während die chinesische Börse von dieser negativen Entwicklung übrigens unbeeindruckt blieb, kippte die positive Stimmung in den USA und Europa entsprechend schnell. Aber Korrekturen am Aktienparkett sind etwas Normales. Erinnern wir uns nur an das vierte Quartal 2018. Der US-Leitindex fiel damals um 20 Prozent. Daher gilt: Jeder Anleger sollte seine Aktienquote so wählen, dass er einen derartigen Rückschlag aushält und nicht die Nerven über Bord wirft. Wir können nicht ausschließen, dass wir wiederum ins Epizentrum einer größeren Korrektur kommen. Doch jetzt zu verkaufen, um dann bei günstigeren Kursen wieder einzusteigen, hat sich in der Geschichte der Börse als schwieriges, wenn nicht unmögliches Unterfangen erwiesen. Wir halten die Übergewichtung von Aktien in den Gutmann Vermögensverwaltungen für weiterhin angebracht. Vor allem unsere starke Qualitätsausrichtung bei Aktien und Anleihen unterstützt uns in unserem Vertrauen darauf. Es macht einen Unterschied, ob man eine höhere Quote an qualitativ hochwertigen Unternehmen im Portfolio hält oder einen geringeren Anteil an hochzyklischen, stark verschuldeten und damit hochriskanten Geschäftsmodellen. Wir fühlen uns mit der Qualitätsvariante weit wohler. Trotzdem wird den Entwicklungen die volle Aufmerksamkeit geschenkt. Wir werden weiter mit ruhiger Hand vorgehen, aber auch entschlossen handeln, wenn es notwendig ist. Ruhige Anleihemärkte Das Coronavirus hält die Nachfrage nach der Sicherheit von Bundesanleihen und US-Treasuries hoch. Die Märkte rechnen (erneut) mit dem Sicherheitsnetz der Notenbanken. Tatsächlich verlautbarte der Finanzminister von Hongkong bereits Pläne für Helikoptergeld. Jeder Einwohner über 18 Jahren soll einen Betrag von HKD 10.000 (rund 1.180 Euro) erhalten. Die Negativrenditen dehnen sich am Anleihemarkt wieder deutlich aus, weil der vermutete Rückhalt der Notenbanken alles überlagert. Außerdem scheint es, dass die Investoren eher in stärkerem Maße den mehrheitlich enttäuschenden Daten aus dem Euroraum folgen als den vergleichsweise robusten US-Daten. Aktuell sieht es trotz rekordtiefer Zinsen nach weiterem Rückenwind bei Treasuries und Bonds aus. Vorsicht mischt sich aufgrund der Gegebenheiten unter die Unternehmensanleihen und vor allem die Risikoaufschläge bei sogenannten High Yield Anleihen steigen an. Schweizer Währungshafen Die Entwicklung der Währungskurse war im Februar relativ ruhig. Der Euro fiel gegenüber dem US-Dollar auf unter 1,08 im Tauschverhältnis bevor er sich gegen Monatsende wieder Richtung 1,09 zurückkämpfte. Herausstechend ist die unverminderte Stärke des Schweizer Franken. Der Goldpreis erklomm im Februar neue Preisgipfel – zuletzt bei einem Wert, der sieben Jahre lang nicht mehr gesichtet wurde.