07.07.2020    1 Bild

Gutmann Kompakt Juli 2020

Die Rezession ist vorbei, aber trotz Optimismus bleiben Risiken bestehen
© iStock.com/konradlew

Zu dieser Meldung gibt es:

Kurztext 448 ZeichenPlaintext

Die Hoffnung auf ein Ende der Rezession und einen (kräftigen) Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte ist berechtigt. Nach den weitgehenden Stillständen werden die Wachstumsraten im Quartalsvergleich stark steigen. Wie stark und vor allem wie nachhaltig diese Erholung ausfällt, hängt jedoch in hohem Maße davon ab, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Europa befindet sich hier in einer vergleichsweise guten Lage.

Pressetext Plaintext

Stabile Infektionszahlen schaffen Voraussetzung für konjunkturelle Erholung
Die Hoffnung auf ein Ende der Rezession und einen (kräftigen) Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte ist berechtigt. Nach den weitgehenden Stillständen werden die Wachstumsraten im Quartalsvergleich stark steigen. Wie stark und vor allem wie nachhaltig diese Erholung ausfällt, hängt jedoch in hohem Maße davon ab, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Europa befindet sich hier in einer vergleichsweise guten Lage. Neuinfektionsraten bewegen sich seit Wochen stabil bei etwa 5.000 Personen pro Tag. Das Ende des Lockdowns und die bevorstehende Urlaubszeit bergen allerdings das Risiko eines neuerlichen Anstiegs. Bislang wurden einige Fälle von regionalen Infektionsherden bekannt, welche mit ebenso regional eingegrenzten Ausgangssperren bekämpft werden. Ähnliche Situationen werden wir wohl auch in den kommenden Wochen sehen.

Für die Wirtschaft sollte sich der Einfluss oben geschilderter Entwicklungen in Grenzen halten. Nichtsdestotrotz zeigt es, dass es auch weiterhin Belastungsfaktoren geben kann und der Weg zurück aus der Krise etwas schwieriger und langwieriger werden könnte als vielfach erwartet. Die Eurozone wird dennoch im dritten Quartal wieder positive Wachstumsraten bei der Wirtschaftsleistung aufweisen können. Ein positiver – weil stabilisierender – Faktor sind hierbei die gut ausgeprägten Sozialsysteme vieler Staaten innerhalb der Eurozone.

Einerseits haben viele Unternehmen das Angebot der Kurzarbeit genutzt und somit Arbeitsplätze (und damit Einkommen) weitgehend bewahrt. Darüber hinaus ist es aufgrund des Naturells dieser Krise als „Gesundheits-Krise“ auch relevant, wie feinmaschig die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit medizinischer Behandlung ist. Das Bewusstsein, auch im Falle des Verlustes des Arbeitsplatzes gesundheitliche Versorgung in Anspruch nehmen zu können, nimmt eine Last von den Schultern der Betroffenen. Somit sollte sich der private Konsum recht rasch wieder stabilisieren und erneut zu einer tragenden Säule des Wachstums werden.

Der generelle Wachstumsausblick ist also ein positiver und die Inflationsraten sollten weiterhin deutlich unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) bleiben. Aktuell liegt die Teuerung bei nur 0,3 Prozent im Jahresvergleich – wesentlich beeinflusst durch den gesunkenen Rohölpreis. Trotzdem bleiben Belastungsfaktoren für viele Unternehmen bestehen. Nicht überall werden die Umsätze sofort wieder auf den bisherigen Levels liegen – im Gegenteil: es wird sich zeigen, welche Unternehmen den Belastungen gewachsen sein werden.

China ist bei der Erholung einen Schritt voraus
Viele blicken gespannt nach China. Einerseits, weil es einen wirtschaftlichen Vorsprung hat und so als mögliche Vorlage für die Zeit nach dem Lockdown gilt. Andererseits, weil erneut Virus-Herde in der Volksrepublik aufkommen und auch in dieser Hinsicht interessant ist, wie mit einer weiteren Verschärfung der Lage umgegangen wird.

In wirtschaftlicher Hinsicht zeigen sich deutliche Signale der Besserung. Die Produktion der Industrie wie auch der private Konsum zeigen eindeutig nach oben. Einige Verluste durch die Intensiv-Phase der Krise konnten wieder gut gemacht werden, aber längst nicht alle. Das liegt aber nicht nur an China alleine. Verdeutlicht wird dies durch die Importe und Exporte. Chinas Importe signalisieren die Nachfrage nach Produktions- und Konsumgütern. Diese sind zuletzt aber wieder rückläufig gewesen. Zwar gab es den zu erwartenden Nachhol-Effekt nach der Öffnung, aber letztverfügbare Zahlen legen den Schluss nahe, dass die Nachfrage aus China wieder nachlässt. Die Dynamik scheint doch nicht so ausgeprägt zu sein wie erhofft. Das liegt aber auch an der Situation in weiten Teilen der restlichen Welt. Deren Einfluss auf die chinesische Wirtschaft lässt sich gut anhand der chinesischen Exporte ablesen. Auch diese zeigten zuletzt eine rückläufige Entwicklung. China bekommt also die Schließungen andernorts zu spüren.

Diese beiden Faktoren verdeutlichen, dass auch für China die Krise noch nicht ausgestanden ist: während die heimischen Konsumenten noch immer zögerlich sind, leidet die ebenso wichtige Produktion unter der schwachen Nachfrage aus dem Rest der Welt.

Freiheit auf Kosten der Gesundheit in den Vereinigten Staaten
Das Ringen zwischen gesundheitlich bedingtem Lockdown und Wirtschaft ging in vielen Bundesstaaten zugunsten der Wirtschaft aus. Ein geringes Maß an „Social Distancing“ und anderen Maßnahmen erhöht allerdings die Gefahr einer weiteren Ausbreitung des Virus. Genau das scheinen die Vereinigten Staaten derzeit zu erleben. Während die Neuinfektionen im Mai sanken und in der ersten Juni-Hälfte zumindest stabil waren, zeigt sich aktuell ein neuerlicher kräftiger Anstieg. Die täglichen Zuwächse der infizierten Personen liegen dabei sogar über dem Niveau, welches zu Beginn der Ausbreitung vorherrschte. Konkret sind es Ende Juni etwa 40.000 Menschen, die sich täglich neu infizieren. In Summe haben sich in den USA etwa 2,6 Millionen Menschen mit der Krankheit angesteckt, Tendenz steigend.

Der Schwerpunkt der Ausbreitung liegt in den mittleren bzw. südlichen Bundesstaaten. In den stärker betroffenen Regionen denkt man bereits wieder über Verschärfungen nach. Wirtschaftliche Konsequenzen würden nicht lange auf sich warten lassen. Bei täglich verfügbaren Zahlen vom Arbeitsmarkt lassen sich diese auch bereits erkennen. Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich werden wieder verstärkt abgebaut. Und das in drei von vier US-Bundesstaaten.

Nachdem der Dienstleistungsbereich der ungleich beschäftigungsintensivere ist, entsteht daraus ein Risiko, dass sich die Erholung am Arbeitsmarkt nicht so rasch fortsetzt, wie sie begonnen hat. Ein weiterer Faktor, der diese Sicht unterstützt, ist die Tatsache, dass das staatliche Programm zur Zahlung der Löhne bei Klein- und Mittelbetrieben im Laufe des Sommers ausläuft.

Danach wird man sehen, welche der geschaffenen Jobs tatsächlich der Erholung geschuldet waren und welche nur aufgrund der Subvention entstanden sind. Generell gehen wir davon aus, dass das dritte Quartal das Ende der Rezession bringen wird. Die Teuerung bleibt weiterhin kein Problem und daher wird die Notenbank an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten (können).

Gewichtung der Anlageklassen
No glory in prevention – kein Ruhm für Vorbeugung
Der deutsche Virologe Christian Drosten sagte im Coronavirus-Update Podcast: „There is no glory in prevention”, also Maßnahmen zur Risikoreduktion bekommen selten einen Dank. In der Vermögensanlage ist es ganz ähnlich. War die Sorge und die damit einhergehende Risikoabsenkung falsch? Wir denken nicht. Natürlich hat uns der starke Anstieg der Aktienmärkte und vor allem das Ausmaß überrascht. Vom Tiefpunkt weg sprang der Aktienmarkt in nur drei Tagen um fast 20 Prozent nach oben.

Im Juni entschieden wir uns von der „starken“ Untergewichtung der Aktien einen Schritt in Richtung „normale“ Untergewichtung zu gehen. Durch den Preisanstieg der Aktien erhöhte sich in den Depots die Aktienquote ohnehin, dennoch bleiben wir aktuell trotz der erneuten Zukäufe weiterhin untergewichtet in Aktien.

Der Aktienmarkt pendelte in kürzester Zeit vom pechschwarzen Pessimismus hin zur Sorglosigkeit. Wir machen uns allerdings noch Sorgen und haben weiterhin ein Auge auf die Risiken, die anscheinend bei den meisten Marktteilnehmern nach hinten rücken.

Natürlich sehen wir die positive Veränderung im Zuge der weltweiten Öffnungen. Doch das absolute Niveau ist in den diversen Bereichen sehr unterschiedlich. Unsere Untergewichtung in Aktien ist nicht Ausdruck eines Weltuntergangszenarios. Wir sehen eine langsame Erholung aber keine V-förmige Bewegung (rasch nach unten und rasch wieder nach oben) der Wirtschaft, wie sie aktuell von den Börsen vorweggenommen wird.

Eine Welle an Notenbank-Programmen
Den enormen Paketen der Notenbanken kann man sich nicht entgegenstellen. Im Juni lieh die Europäische Zentralbank (EZB) den Banken der Eurozone eine Summe von 1,31 Billionen Euro (über das sogenannte TLTRO-Programm). Und das zu einem Zinssatz von minus 1 Prozent. Werden die Banken jetzt mit beiden Händen Kredite an die europäischen Unternehmen vergeben? Eher nicht. Es ist doch viel einfacher in italienische Staatsanleihen zu investieren. Einerseits erhält man ein Prozent von der Notenbank pro Jahr und andererseits bietet eine dreijährige italienische Staatsanleihe 0,25 Prozent bzw. auf fünf Jahre sogar 0,75 Prozent. Zusätzlich stützt man noch den Euro und kann sich des Rückenschutzes der EZB gewiss sein.

Der Primärmarkt ist bei den Anleihen weit offen und wird fleißig genützt. Die Republik Österreich legte ein 100-jähriges Papier mit einem Kupon von 0,88 Prozent auf. Die Nachfrage war da und die Emission war stark überzeichnet.

In Summe kamen weltweit in den letzten beiden Monaten Anleihen im Wert von 140 Milliarden Dollar auf den Markt: zwei Drittel aus Europa, dem Mittleren Osten und Afrika. Die Hälfte waren Staatsanleihen bzw. staatsnahe Anleihen, ein Drittel Industrieanleihen, und nur 14 Prozent Finanztitel.

Auch wir waren am Primärmarkt aktiv. Die hohe Emissionstätigkeit gibt uns die Chance breit in viele Titel zu investieren und so das Einzeltitelrisiko gering zu halten. Bei über dreißig Namen haben wir im Juni Anteile gezeichnet. Den Zugang zu diesem Marktsegment haben wir über viele Jahre kultiviert. Heute ernten wir die Früchte für unsere Kunden in Form von Zusatzrenditen, die so auf dem Sekundärmarkt nicht erhältlich sind. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld muss man mehr denn je um jeden Basispunkt kämpfen.

Alle Inhalte dieser Meldung als .zip:

Sofort downloaden

Pressetext
9630 Zeichen

Plaintext Pressetext kopieren

Bilder (1)

Gutmann Kompakt Juli 2020
4 444 x 3 333 © iStock.com/konradlew